Internetforen sind hochinteressante Biotope abseits der wirklichen Welt– und doch sind auch sie ganz real. Wie im wirklichen Leben geht es hier um Leben und Tod – nicht im physischen Sinne, im Existenzkampf steht die Online-Identität. Dem Wanderer blieben diese Welten, obschon ein Onliner der ersten Stunden, bis vor kurzem verschlossen. Er ließ sie auf seinen Streifzügen durch das Weite Web – ohne viel darüber nachzudenken – sozusagen links am Wegesrand liegen.

Das änderte sich erst im Februar dieses Jahres, als er die Scheuklappen abnahm und mit seiner Online-Identität (“Der Wanderer”) die ersten zaghaften Schritte im Hunsrücker Irlandforum unternahm. Es dauerte nicht lange, bis die Gemeinde reagierte – und gleich gab es kräftig auf die Ohren: Eine Watschen von links, eine von rechts, noch eine vom Moderator. Zu forsch der Mann, zu airline-kritisch, zu Iren-freundlich, zu aggressiv für seinen Blog werbend. Wo war er da bloß gelandet?

Der Wanderer erkannte ganz allmählich, dass Internetforen im allgemeinen und das Irlandforum im Speziellen, nach ganz eigenen Gesetzen funktionieren, die allerdings nicht im Regelbuch stehen. Zu den überlebenswichtigen Gesetzen zählen etwa: 1. Achte die Platzhirsche (Ausprägung: männlich und weiblich; Senioritätsprinzip: Ab 2000 Einträgen bist Du wer) und widersprich ihnen nicht zu sehr. 2. Bedrohe nicht ihre virtuellen Claims. 3. Halte den Ball flach und verstecke Dich vorsichtshalber erst mal hinter einem anonymen Avatar. 4. Gib nichts Persönliches von Dir preis. Es macht Dich angreifbar. 5. Vergiss Dein Idealbild von fairen Diskussionen, rüste Dich für den Holzweg, und 6. Vergiss Dein Idealbild von fair moderierten Diskussionen.

Wer dies beachtet, und die Online- von der realen Identität unterscheiden kann, hat sicher jede Menge Foren-Fun. Der Wanderer nahm einen anderen Weg – und fand trotzdem seinen Spaß. So stellte er (alte Threads lesend) fest, dass die Diskussionen im Irlandforum sich in regelmäßigen Abständen von einigen Monaten bis zu einem Jahr krisenhaft zuspitzen, um sich dann explosionsartig zu entladen: Diskussionen werden geschlossen, Mitglieder werden gesperrt, deren Identitäten gelöscht, deren Einträge auch (es geht um Leben und Tod), Moderatoren werfen das Handtuch, und alles wirkt wie ein riesiger handfester Familienkrach. Gerade hat es im Forum wieder einmal gerumst.

Warum ist das so? Der Wanderer hat die bunte Welt des Irland-Forums noch nicht gänzlich durchdrungen, die Antworten mögen deshalb als vorläufige akzeptiert werden.

1. Wo unbeleckte Irland-Sehnsüchtige, neue und erfahrene Irland-Urlauber, sowie eher positiv gestimmte und eher frustrierte in Irland lebende “Experten” aufeinander treffen, da muss es Reibungspunkte geben. Die Inhomogenität der Ansprüche führt leicht zu Aggressionen, zu Bashing, Shredding, Intoleranz und Verschüchterung. Man stelle sich vor, Menschen mit grünen, grauen, blauen und rosaroten Sonnenbrillen sollen sich darauf einigen, welche Farbe die Wand hat. Das kann nur gut gehen, wenn der Talkmaster mit Optikerlehre den Durchblick behält.

2. Forums-Administrator und Inhaber Thorsten Blum hat in den vergangenen Jahre tolle und wertvolle Arbeit für Irland, den Irland-Tourismus und die Freunde der Insel geleistet. Der Spagat zwischen den wirtschaftlichen Interessen mit dem eigenen Web-Reisevermittler “Irish-Net” und dem diskussionsfreudigen Irland-Forum ist ihm trotz aller strukturellen Probleme gut gelungen.

Die bisweilen einsamen und nicht nach klaren Regeln getroffenen Entscheidungen von Administrator und Moderatoren allerdings, die dann auch noch schlecht oder gar nicht kommuniziert werden, erschweren das virtuelle “Zusammenleben” in einem Forum beträchtlich.

Und dennoch: Das lässt sich leicht ändern. Wer führt wird verstanden, wer diktiert erzeugt Wut. Dass ein Moderator nach Kritik an seinem Moderationsstil rumsplums die Brocken hinschmeißt und zurücktritt, spricht ebenso für die Entwicklungsfähigkeit der Diskussionkultur. Konstruktiv wäre es, die Kritik ernst zu nehmen, den Moderationsstil zu verbessern und seine Maßstäbe und Regeln zu überdenken.

3. Die Anonymität ist Segen und Fluch des Forums zugleich. Welche Vorteile sie hat, muss hier nicht erörtert werden. Gewaltig aber die Nachteile: Wer sich nicht zu erkennen geben muss, wer sich hinter einem Avatar verbergen darf, kann leicht holzen, austeilen, richten und stänkern. Der Wanderer hat seine Vorbehalte gegen diese Anonymität vor kurzem im Beitrag “Das Internet, die Anonymität, die Freiheit und die Feigheit” beschrieben. Er wird gerne dafür verhöhnt, wenn er im Sinne eines fairen Dialogs verlangt, dass Forumsmitglieder und Blog-Kommentatoren sich freiwillig zu erkennen geben sollten.

Im Irlandforum kommt erschwerend hinzu, dass ehemalige, längst ausgesperrte Mitglieder, manc
he unter einem, manche unter mehreren Mitgliedsnamen weiterhin aktiv sind und die Diskussionen gerne wie im Rollenspiel manipulieren, ver-biegen, stören und zerstören. Natürlich limitiert die Pflicht einer ordentlichen Anmeldung mit richtigem Namen die Zahl der Mitglieder, den Traffic und die Abrufzahlen der Onlinewerbung. Es müsste einer Forumsverwaltung allerdings zumindest gelingen, diese multiplen Online-Persönlichkeiten und anonymen Heckenschützen in den Griff zu bekommen und sie vom Forum zu bannen. Dies hätte sofort spürbare Auswirkungen auf die Qualität der Diskussionen und auf die Umgangsformen.

Schluss mit kritisch: Bei allem immer mal wieder hochkochenden Zoff ist auch das Irlandforum nichts anderes als eine große, virtuelle Familie, die auch die ruhigen Phasen, die harmonischen und schönen Seiten des Lebens zu genießen weiß. Es ist zudem eine wahre Fundgrube für Irland-Wissen, eine Möglichkeit, Gleichgesinnte zu finden und mehr über das Land, das wir lieben, aus erster Hand zu erfahren.