Blick auf die Bantry Bay

Unser Blick auf die Bantry Bay

Das Wetter in Irland hat sich für den Jahreswechsel nicht interessiert. Es regnet einfach weiter. Es regnet und regnet bei milden Temperaturen. Irland gilt als ein Land, das die Klimakrise vergleichsweise wenig zu spüren bekommt – doch auch auf der nassen grünen Insel stehen alle Zeichen auf Veränderung. Das Jahr 2023 war hier das wärmste seit Beginn der systematischen Wetteraufzeichnungen im Jahr 1885 – und verwies das Jahr 2022 auf Platz zwei. Die Durchschnittstemperatur stieg erstmals über elf Grad. Sie lag 1,5 Grad über dem langjährigen Durchschnitt. Auch die Regenmenge im Jahr 2023 schafft es wohl in die Top Ten  – die genauen Zahlen werden demnächst bekannt gegeben.

Vor einigen Tagen traf ich an der Tankstelle Kieran, einen Meeresforscher aus Cork. Er unterfütterte unsere Klagelieder über das nasse Wetter mit Fakten: Statistisch, so sagte Kieran, bekommen wir pro Grad gestiegener Lufttemperatur neun Prozent mehr Regen. Wärmere Luft bindet mehr Wasser – und lässt dieses auch wieder los.

Hier im äußersten Südwesten der Insel nahmen wir wettertechnisch leichten Herzens Abschied vom alten Jahr. Mein Freund und Nachbar Stefan Knuetttel, der das lokale Wetter seit 38 Jahren akribisch aufzeichnet, berichtet in Zahlen, was unsere Haut längst wusste: Im Jahr 2023 fielen hier in der Bantry Bay am Fuß der Caha Mountains 2466 Liter Wasser pro Quadratmeter, also knapp zweieinhalb Meter. Das ist in Stefans 38 Jahre alter Statistik Platz drei hinter den Jahren 2020 (2560 Liter) und 2015 (2486 Liter). In den weniger werdenden trockenen Jahren bleibt die Regenmenge hier unter 2000 Liter.

Die Sonne ließ sich selten blicken: Es gab im ganzen Jahr nur 783 Sonnenstunden – in sonnigeren Jahren sind es gut über 1000. Obwohl das Wetter wärmer wird, nimmt die Zahl der sonnigen Tage ab. Graue, bedeckte Himmel und wärmere Nächte scheinen im Trend zu liegen. Den Luxus von zwei zusammenhängenden trockenen und sonnigen Tagen konnten wir in der zweiten Jahreshälfte kaum genießen – dies nach einem sonnigen und fast heißen Bilderbuch-Juni.

Auch die Unwetter und Stürme liegen im Trend: 2023 verzeichneten die irischen Meteorologen zehn Stürme – in der aktuellen Wintersaison bis Silvester alleine sieben. Die Prognose-Fähigkeit der staatlichen Wetterbehörde Met Eireann ließ dabei für unsere Region im Westen von West Cork wieder zu wünschen übrig: Als schwere Stürme angekündigte Wetter erwiesen sich überwiegend als ehr laue Lüftchen. Dafür schüttelten uns als niedrig klassifizierte Winde kräftig durch. Vor Überflutungen bleiben wir in unserer Gegend noch immer verschont, während die Menschen in der nahen Stadt Bantry nasse Füße, Läden und Wohnungen gewohnt sind. Die Wassermassen schlugen allerdings in anderen Teilen des Landes härter denn je zu. Zahlreiche Orte, die Überschwemmungen bislang nicht kannten, standen im August, Oktober und November tief unter Wasser.

Die beste Reisezeit für Irland: Kenne ich die Lottozahlen vom Samstag?

Das Wetter in Irland: Ich werde oft gefragt, welches die beste Reisezeit für Irland ist. Man könnte mich auch nach den Lottozahlen für den nächsten Samstag fragen.  Der Juli 2021 etwa war ein fabelhafter sonniger Reisemonat. Zwei Jahre später zogen wir im nassesten Juli aller Zeiten die Köpfe ein. Wie also wird das Wetter im Jar 2024?

Die Menschen in Irland lieben es, über Wetter und Klima zu diskutieren. Bei jeder freundlichen Begrüßung wird das aktuelle Wetter zumindest kurz kommentiert. Und immer wollen die Insulaner wissen: Wie wird das Wetter morgen, im Sommer, in diesem Jahr? Ja, wie wird es wohl 2024? Bis vor wenigen Jahren diskutierten wir hier eifrig die langfristigen Wetterprognosen von zwei bekannten Amateur-Meteorologen und Wetter-Propheten: Immer um den Jahreswechsel würde Michael Gallagher, der Briefträger aus dem County Donegal, seine Voraussage für das kommende Jahr abgeben. Der Mann, der 48 Jahre lang bei Wind und Wetter die Post austrug, las seine Prognosen aus den Erscheinungen und Zeichen der Natur. Doch jetzt schweigt Michael, der mittlerweile 75 Jahre alt ist. Trolle und anonyme Heckenschützen hatten ihn in den sozialen Medien über die Maße beschimpft und beleidigt. Er verlor den Spaß – und nun muss das ganze Land auf dieses jährliche Vergnügen verzichten.

Prognose Jan 2024

Auch der zweite populäre Wettermann ist aus den Medien verschwunden: Die Langzeit-Prognosen des Neuseeländers Ken Ring für das Wetter in Irland waren vor allem bei Farmern und Fischern beliebt und wurden öffentlich munter diskutiert. Seit drei Jahren ist die Amateur-Expertise von der Südhalbkugel nur noch gegen Bares als Buch zu beziehen. Schade. Die Wissenschaft arbeitet auch in der Disziplin Wetter und Klima gnadenlos gegen die unterlegene menschliche Wahrnehmung und Erfahrung. Wer also wissen will, wie der irische Sommer 2024 zwischen El Niño und polarem Jetstream werden könnte, der kann sich zum Beispiel auf der wissenschaftlichen Website severe-weather.eu schlau machen. Geht es nach den Meteorologen der Met Éireann, so hält der Trend in Irland auch 2024 an: mehr Wärme, mehr Regen, mehr Stürme.

PS: Ab morgen soll sich tatsächlich mal wieder ein Hoch über der Insel etablieren. Nach einer schier endlosen Regenperiode kündigen sich die Sonne und frostige Temperaturen an.