Lissadell House in County Sligo, Irland.

Edward Walsh und Constance Cassidy haben sieben Kinder und eine Menge Geld. Rund 13 Millionen Euro dieses Vermögens steckte das Paar aus dem County Kildare in den vergangenen acht Jahren in ein Herrenhaus im County Sligo, das in der irischen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts  eine wichtige Rolle gespielt hat: Lissadell House, ein 160 Hektar großes Anwesen in der Nähe von Drumcliff.

Lissadell war der Sitz der Familie Gore Booth, die einen bekannten Naturforscher (Sir Henry), eine Dramatikerin und Suffragette (Eva) und eine Revolutionärin (Constance Gore Booth, später Markievicz) hervorgebacht hatte, die Lissadell allerdings nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr halten konnte. Die Familiendynastie war dem Niedergang preisgegeben, das berühmte Haus dem Verfall – und so ist es dem Paar mit den sieben Kindern und dem Haufen Geld zu verdanken, dass sie das einstige Juwel Lissadell im Jahr 2003 kauften, mit großen Aufwand retteten und zu neuer alter Pracht aufpolierten.

Die Walsh-Cassidies gefielen sich in der Rolle des gewandten Schlossherren und der prinzesssinen-gleichen Gastgeberin rauschender Empfänge auf dem Höhepunkt der Celtic-Tiger-Epoche. Lissadell sollte ihr Wohn- und Repräsentationsschloss sein.

Das Coach House von Lissadell

Im Dezember 2008 allerdings zogen erneut dunkle Wolken über dem großen Haus auf. Über dem großen Haus, in dem sich die Schwestern Constance und Eva einst derart langweilten, dass sie ihre Namen ins Fensterglas ritzten oder die Freiheit in den Armen des polnischen Pseudo-Grafen Casimir suchten; über dem Haus, in dem der große Lyriker William Butler Yeats nachts heulend auf der Haupttreppe gefunden wurde, weil er sein Zimmer mit einem bösen Geist teilen musste, über dem Haus, das neben W.B. Yeats und dessen Maler-Bruder Jack auch den Dichter, Maler und Theosophen George Russel, bekannt als Æ, oft zu Gast hatte.

Butler Yeats nach der Begegnung mit dem bösen Geist

Der Teufel kam Ende 2008 in Gestalt einer Behörde über Lissadell. Das Sligo County Council machte geltend, dass die Absperrung von Wegen und Straßen in Lissadell nicht rechtens sei, weil dort alte öffentliche Wegerechte bestünden. Die Walsh-Cassidies reagierten empört und bedienten sofort ihre Anwälte mit einem Großauftrag. Die sollten gerichtlich durchsetzen, dass die Eigentümer frei über den Zugang zu ihrem Anwesen bestimmen dürfen. Mit den Nachbarn und der Gemeinde zu reden und einen Kompromiss zu suchen war ihre Sache nicht, und so nahm das Wegerechts-Schicksal seinen Lauf in die falsche Richtung. Der Krieg um die Straßenhohheit endete vor einem Monat mit einer Niederlage der Walsh-Cassidies und einem Sieg für die Öffentlichkeit. Der High Court bestätigte: Die Öffentlichkeit hat ein Recht, Wege und Straßen von Lissadell zu benutzen. (Nun hofft man im vielerorts verriegelten Irland, dass dieses Urteil Signalwirkung für die Stärkung öffentlicher Wegerechte haben wird).

Lissadell mit Blick auf Ben Bulben. Wer darf hier
fahren und wer darf bestimmen, wer hier fahren darf?

Die Herrschaften mit den sieben Kindern und dem vielen Geld sind derweil gänzlich sauer – aber keineswegs untätig. Seit dem Gerichstsurteil im Dezember haben sie kräftig in Zäune, Stacheldraht und Warnschilder investiert (die Irish Times will 22 große rot-weiße “Durchgang Verboten”-Schilder gezählt haben) und bauen Lissadell gerade zu einer Festung aus. Das Signal an die Nachbarn ist eindeutig und am ehesten mit dem Bild von einem dauererigierten Stinkefinger zu erklären. Es herrscht also dicke Luft im County Sligo, und das Gerangel um Lissadell House beschäftigt die Iren über Sligos Grenzen hinaus. Es scheint, dass der Ruf der Neu-Lissadellianer dabei nicht gerade untadeliger geworden ist, dass sie den bösen Geist von Lissadell, der schon Butler Yeats so zugesetzt hat, gegen sich aufgebracht haben.

Die Walsh-Cassidies jedenfalls sind nicht nur beleidigt, empört und gekränkt, sie sind auch mit ihren Visionen am Ende. Auf der Lissadell-Website steht seit einigen Tagen dieser aktuelle Zusatz zu lesen:

“OUR VISION was to transform the estate into a flagship for tourism in Sligo and the North West, whilst providing a secure environment for our children and for our visitors. We did not wish to exploit Lissadell commercially but to restore the house and gardens to their former glory, make Lissadell self-sustaining and protect this crucible of Ireland’s historic and literary heritage. This was our vision for Lissadell. Our vision is now at an end.”
Ende einer Sause, Ende der Träume. Ende der Visionen. Dunkle Ande
utungen. Lissadell wird nicht die Krone des Irland-Tourismus. Lissadell House ist derzeit geschlossen. Winterpause. Eine Winterpause ohne Ende? Es steht noch in den Sternen, ob “Graf” Walsh und “Gräfin” Cassidy ihre Schmuckschatulle im kommenden Frühjahr noch einmal für Touristen und andere Besucher öffnen werden oder ob sie indigniert genug bleiben, um sich die schönen Ausstellungen und Gärten in Lissadell nur noch ganz, ganz alleine, nur in Begleitung ihrer Kinder, anzuschauen.