Johnny ist ein Farmer-Sohn aus West Cork. Er fährt sein eigenes Taxi und ist seit über 20 Jahren im Geschäft. Er weiß, wie der Ire läuft. Viele Jahre hat Johnny den Lumpenwagen, das Late Night Taxi von den Pubs zu den heimischen Betten der Region gefahren. Bei all dem hat er sich seine Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit bewahrt. Wenn Johnny auf 8 Uhr bestellt wird, steht er 10 Minuten vor 8 vor der Tür.
„Das kommt wahrscheinlich von meiner Zeit im Ausland“, sagt Johnny fast entschuldigend. Er hat lange Overseas gearbeitet, und nun fühlt er sich oft wie ein Fremder im eigenen Land. Wie ein Blow-in, ein Herein-Gewehter, wie man hier zu uns Fremden sagt (Dabei spielt es keine Rolle, ob Du aus Deutschland oder aus Donegal kommst. Du bist und bleibst ein Blow-in). Denn die sprichwörtliche Unpünktlichkeit der Irinnen und Iren ist vor allem in den ländlichen Gebieten noch immer stark ausgeprägt. Johnny ist Ire und er hasst Unpünktlichkeit, sie stiehlt ihm Woche für Woche viele Stunden eigenes Leben. Für ihn ist Unpünktlichkeit kein Lebensstil sondern Rücksichtslosigkeit und Undiszipliniertheit.
„Stell Dir vor, die Mary hat mich für eine Gruppenfahrt gebucht. Ich müsse absolut pünktlich sein, denn sie müssten Punkt 20 Uhr bei einer Party in G. sein. Als ich die lustige Gruppe wie bestellt in einem Pub in der Nachbarschaft in A. abholen will, geht prompt Mary´s Hand nach oben: Noch eine Runde, Wirt. Du glaubst es nicht, als sie um 20 Uhr noch einmal eine Runde bestellen will, die Feier hatte man wohl längst vergessen, weise ich Mary sanft darauf hin, dass sie nun bereits 20 Kilometer weiter bei der Party sein sollte — und dass ich mich nun um andere Fahrgäste kümmern muss. Weisst du, was sie antwortet? Oh Johnny, das tut mir aber leid. Ich wusste gar nicht, dass Du es so eilig hast. Mary ist wirklich eine liebenswerte Frau, aber diese Unpünktlichkeit . . .“
Johnny könnte mit seinen Late-Night-Stories ein Buch füllen. Am Ende aber ist er froh, dass sich die Dinge auch in Irland langsam ändern, selbst wenn das seinem Taxi-Business nicht gut tut: „Das massenhafte tage- und nächtelange Saufen, das früher ein anderes Wort für Ferien und Freizeit war, stirbt langsam aus. Heute gehen auch mehr und mehr Iren einem geregelten Alltag nach, sie machen Ferien und Kurztrips eher wie die Kontinental-Europäer.“ Johnny erinnert sich: „Vor 10, 20 Jahren kamen die Leute aus Dublin oder Cork hier zu uns aufs Land in die Ferien, setzten sich auf einen Barhocker, tranken und tranken und verließen den Barhocker bis zum Ferienende kaum. Was haben trinkfeste Iren nachts um 2 gelacht über die komischen Deutschen und Franzosen, die meist schon um 23 Uhr in ihren Betten lagen, um am nächsten Tag fit für Unternehmungen zu sein. Nun machen wir es selber so, und das ist gut.“
Und so gibt Johnny die Hoffnung nicht auf, dass er irgendwann in ein paar Jahren um zehn for acht vor irgendeiner Pub-Tür steht, und dass keine Hand hoch sondern die Tür auf geht und die Fahrgäste sich freuen, pünktlich abgeholt zu werden . . .
Johnny existiert, die Geschichte ist wahr, den Namen habe ich geändert. M.
Moin tosamen und einen schönen guten Morgen –
diese Geschichte oben erinnerte mich an eine andere über die „Irish Time“ aus Lord Dunsays 1936 veröffentlichtem Buch „My Ireland“. Ich musste ein bisschen blättern und suchen, bis ich sie wiederfand. Hier ist sie in der Schreibweise wie im Buch:
An Englishman arrived at a station in Dublin, and looking, no doubt, for what must be dear to a methodical man, the time, but finding it variously interpreted, said to a porter, “Look here! Wot is the good of having two clocks if they are both different times?” “And what,” said the porter, “Would be good of having two clocks, it they were both the same time?”
Quelle: Lord Dunsany, My Ireland, Kap. IV, Seite 44/45, London 1936
Köstliche Logik!