Nenad left Irrland

Nenad Ptic spielt in Hofheim

Holy Weekend. Es ist Samstag, Wochenende. Gott-sei-dank-endlich-wieder Wochenende? Der wöchentliche Ausstieg aus dem Alltag. Endlich leben?

Nun, auch der Samstag ist ein schöner Tag, nicht besser als der Freitag meistens und doch ebenso viel versprechend wie — der Mittwoch. Ich komme gerade von der ausgedehnten, jährlichen Deutschland-Reise zurück (deswegen die nun vorüber gehende Ruhe auf Irlandnews.com) und hatte auf 2000-Straßen-Kilometern reichlich Gelegenheit, mich von deutschen Radio-Moderatoren bequatschen zu lassen. Manche von ihnen beginnen schon am Montag mit dem Countdown für das nächste Wochenende. Wochenend-Mania überall. Übrigens auch in den Gesprächen des Radio-Publikums.

Mich beschlich das Gefühl, dass dieses Publikum angezählt ist und ausgezählt werden will. 5-4-3-2-1-Wochenende. Zeit-Insel. Endlich kein Alltag. Oder plappern die Radiomenschen nur noch für sich selbst und vor sich hin? Wochenende, Freizeit und Urlaub, der zu gewinnende Super-Event in den Bergen, Auftanken am Strand, zu sich Kommen in der Ferne. Reisen wie die Stars. Kleine Fluchten, große Gefühle. Der wohl-verdiente Ausstieg aus dem schwer erträglichen und doch so wohlständigen Everyday von Everyman and Everywoman. Montag bis Freitag leben wir nicht. Aber dann. Kante, Dance, Chillen, einfach ausspannen. Shoppen, Sporteln. Gemütlich sein. Ich sein, echt sein. Wirklich? Nur ein Eindruck. Leben geht täglich. Auch dienstags.

Und sonst? Deutschland wird tatsächlich Jahr für Jahr noch verdichteter und hermetischer. Versteinerung. Baustellen überall. Der Wohlstand hat seinen Preis. Die offene Fläche, die freie Sicht verschwinden ebenso wie der freie Zugang und der freie öffentliche Raum. Wo ist Occupy geblieben, die Bewegung, die immerhin außer auf allem auch auf der Rückeroberung des zweckfreien öffentlichen Raumes bestanden hat.  Wo trifft man sich künftig noch, ohne dafür zu bezahlen?

Zum Abschluss des Schweigens noch einige sehr selektive Eindrücke aus Deutschland — ich war mal wieder in Nischen unterwegs — danach geht es an dieser Stelle mit Geschichten aus Irland weiter.

Die spinnen die Katholiken, wie auch die Buddhisten: Die pulverisierten Überreste des irischen Missionars Kilian im Reliquienschrein des Münsters des Heiligen Fridolin in Bad Säckingen:

Kilians Reliquien

Eine schöne Leiche. Die herz-betonte Ganzkörper-Reliquie der Heiligen Jungfrau Wibranda, Kollegin von Kunigundis und Mechtrudis, von Eichsel:

Mechtundis_Jungfrau von Eichsel

Wenn Bäume reden. Die alte Geschichten erzählende Linde auf dem Dinkelberg:

Fabel-Linde Dinkleberg

Lost in the Woods. Ein Bauern-Jesus im Wald an  der Straße zu einem Ort namens Herrenschwand:

Der Herr schwand_P1010922

Kinderreigen. Ein Bild aus dem Jahr 1874 von Hans Thoma aus Bernau im Schwarzwald, “dem gefallenen Meister der deutschen Kunst” (FAZ), den zu mögen man sich in Deutschland noch immer nicht wieder getraut:

Hans Thoma Kinder-Reigen

Zwischen Tag und Traum. Der Ruhebaum auf einer Streuobstwiese, die ich erwähnen würde in einer Liste der Dinge, die ich in Irland vermisse.

Streuobstwiese

Schönes Wochenende! Der Wanderer.   

PS: In Hofheim am Taunus traf ich einen Heimkehrer, den freundlich austeilenden Gegenpol Nenad Ptic (Foto oben). Der Mann, der Irland mit “2R” buchstabiert und sich auf der Insel gefangen sah, ist zurück in Deutschland. Er bespielt wieder die Fußgängerzonen im Rhein-Main-Gebiet. Heimspiele für Frauenherzen. Berufsmusiker Nenad macht immer hörenswerte Musik. Was er so treibt und wo er so singt, kann man auf seinem neuen Blog www.nenadptic.blogspot.com erfahren. Wir haben zum Beweis des Treffens auch ein “Selfie” (Englisches Wort des Jahres 2013) von uns geschossen, aber das sei Euch erspart, weil die Duck-Faces zweier alternder Heroen kaum erträglich wären. Danke jedenfalls, Nenad, für “Brown Eyed Girl” und manche grenzwertige Diskussion in den vergangenen Jahren.

Nenad weg aus Irrland

Nenad Ptic in Hofheim