Nymphomaniac

Filmplakat von Nymphomaniac

Wie ist das eigentlich mit dem Sex in Irland, werde ich immer mal wieder gefragt. Ist das moderne Irland noch immer eher das züchtig-verklemmte Land, wie es allzu lange unter der strengen Knute der katholischen Kirche bestand oder ist es heute so freizügig, liberal und hemmungslos, wie manche Mitternachtsgeschichten aus  Temple Bar, dem vermeintlichen Sodom und Gomorra der Insel glauben machen wollen? Die Antwort unter Bezugnahme auf die Stichworte gesellschaftlicher Wandel, Liberalisierung, Lebensstile, Werte und Gesetze, ist wahrscheinlich ein Sowohl-als Auch — und soll heute an dieser Stelle nicht gegeben werden. Stattdessen eine interessante Einzel-Beobachtung:

Nymphomaniac, der in ganz Europa seit Wochen erregt diskutierte sogenannte “Skandal-Film” des dänischen Regisseurs Lars von Trier, läuft tatsächlich auch in Irland. Die noch immer existierende Zensurbehörde (die kurz vor der Auflösung steht) hat ihn trotz seiner gehäuften expliziten Sex-Szenen nicht einkassiert, und das Film-Klassifizierungbüro IFCO gab den Film mit einigen verbalen Warnhinweisen für Zuschauer ab 18 Jahren frei. Interessant allerdings: Wer in Cork oder Ballyshannon lebt, muss sich den Filmabend im Kino er-fahren: Nymphomaniac läuft seit anfang März gerade einmal in zwei (!) Kinos landesweit, beide in Dublin — während die großen Zeitungen des Landes so tun, als würde jeder zweite Insulaner den Film sehen wollen.

Gleichzeitig aber kann sich in der Inselrepublik jeder mit einem Internetanschluss und 7,95 € Guthaben den Film online anschauen — und das ohne Verzögerung seit der Irland-Premiere anfang März, und auch nicht auf einer der illegalen Downloadseiten, nein: ganz legal und autorisiert bei www.volta.ie, einem Video-on-Demand-Service für Autoren und Arthouse-Filme. Volta ist Teil des von der EU geförderten europäischen Arthouse-Film-Projekts EuroVoD. Der deutsche EuroVoD-Pertner www.goodmovies.de hat Lars von Triers neuen Film derweil noch nicht im Online-Angebot, er läuft wohl zu gut in den Kinos.

“Nymphomaniac” ist im übrigen alles andere als ein Porno, wie manche Kritiker wüteten, sondern eher “eine wilde, intellektuelle, psychologische, kulturelle Diskussion über Sex ohne Liebe” (Zitat AZ München) — ein guter Film für eine diskursive liberale und offene Gesellschaft, die sich stets aufs Neue verständigen muss, wie es um sie steht.