René Böll Grave

Sehnsuchts-Raum Irland. Wir wünschen uns von Euch das schier Unmögliche: Schickt uns in Zeiten der unbegrenzten Bilderflut ein Foto. Ein einziges. Euer Lieblings-Foto von Irland.

René Böll sandte uns eine Aufnahme von Achill Island. Es zeigt einen besonderen Grabstein eines Kindes, das ungetauft gestorben ist. René Böll verbrachte seit Mitte der 50-er Jahre mit seiner Familie viele Sommerferien auf Achill Island im County Mayo in Irlands Westen. Er war selber noch Kind, als er hoch auf den Kliffen von Dookinella nur mit Feldsteinen markierte Orte und ihre verborgene Bedeutung entdeckte: Cillíní, die Grabfelder der ungetauften Kinder Achills. Wie vielerorts in Irland begruben auch die Menschen von Achill Island ihre ungetauften toten Kinder abseits der Friedhöfe in ungeweihtem Boden. Nach herrschender Kirchenlehre waren die ungetauften Seelen nicht von der Erbsünde befreit und konnten deshalb nicht in den Himmel kommen. Das Paradies blieb ihnen verwehrt. Ihnen war von den Kirchenlehrern eine Existenz im Limbus, einer Art Vorhölle, vorgeschrieben — und die kleinen Körper wurden heimlich und ohne Ritual, meist nachts, an Orten abseits der geweihten Friedhöfe begraben.

Der Künstler René Böll fühlte sich von den Cillíní auf Achill Island seit seiner Kindheit angezogen. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich “mit älteren Augen” intensiv mit den Kinderfriedhöfen, den Orten und deren Bedeutung. Er suchte, identifizierte, fotografierte und dokumentierte auf Achill über 20 geheime Friedhöfe — viele fand er mit Hilfe von Einheimischen, die noch um die Orte wussten und bereit waren, dieses Wissen zu teilen. Die Beschäftigung mit den Cillíní mündete in einem künstlerischen Projekt, mit dem René Böll dazu beitragen will, die vergessenen Kinder Irlands in die Erinnerung zurück zu holen und ihnen einen Teil ihrer verweigerten gesellschaftlich-kulturellen Identität zu schenken. Der Maler versteht seine meditativ-spirituelle Arbeit als “Spurensuche”, als Versuch, sich “einem rein optischen Sehen Verborgenen, Nicht-Existenzen anzunähern”. Böll malte in der ihm eigenen klassischen Technik mit besonderen Pigmenten und Malmaterialien. Die Ergebnisse des Projekts Cillíní wurden in zahlreichen Ausstellungen in Deutschland und Irland gezeigt. (Mehr zum Thema hier auf Irlandnews). René Böll schreibt zu seinem Foto:

“Dieses kleine Grab mit der Anmutung eines Dolmen fand ich bei meinen Recherchen zu den Cillíní, den geheimen Friedhöfen für ungetauft gestorbene Kinder auf Achill Island, mitten im Moor im Niemandsland zwischen 2 Dörfern. Es zeigt in seiner liebevollen und ganz besonderen Gestaltung, wie wichtig dieses Kind für die Familie war.”

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Im Zeitalter der zahllosen schein-perfekten, hyper-gefilterten und photo-tot-geshoppten Super-Fotos wollen wir mehr. Sehnsucht lässt sich nicht knipsen. Die Lieblingspuppe war meist nicht die schönste Puppe, der Lieblings-Teddy war der, dem das linke Ohr und das rechte Auge – vom ständigen Lieb-Herzen – längst fehlte. Ihr und ihm galt unsere Zuneigung. Genauso ist es mit dem Lieblings-Foto: Es erinnert uns an besonders tiefe und eindrucksvolle, manchmal an selbstvergessene Momente, in denen es uns um alles andere ging als um das perfekte Foto.

Schickt uns Euer Lieblings-Foto von Irland mit einem kurzen Text und wir veröffentlichen es: markus(at)irlandnews.com

Foto: René Böll