Skellig Wars: Es ist viel diskutiert worden, ob die Dreharbeiten auf Skellig Michael zu Star Wars Episode 7 dem sagenumwobenen alten Klosterfelsen im Atlantik schaden — auch hier auf Irlandnews. Dahinter steht die Frage: Darf die irische Regierung eine der Kronjuwelen des Landes für Dreharbeiten für einen Hollywood-Blockbuster freigeben?
Man kann die Argumente dafür und dagegegen fein säuberlich gegeneinander abwägen und dann zu einer abgewogenen Meinung kommen, wie es Dieter getan hat. Man kann auch versuchen zu ergründen, was hinter diesem subtilen schlechten Gefühl steckt, das diese Botschaft vermittelt: „Das kann man machen, aber es ist irgendwo nicht in Ordnung“.
Manuela hat die Diskussion um Luke Skywalker auf Skellig Michael zu diesen Gedanken veranlasst — und mir klar gemacht, worum es in dieser Diskussion für Irlandfans vom europäischen Kontinent im Grunde geht — um die Seele Irlands und um die eigene Seele. Manu schreibt:
„Seit vielen Jahren verbringe ich meinen Urlaub – immer im Herbst, wenn die Touristenströme abgeebbt sind – in Irland. Am liebsten in den entlegensten Gebieten an der Westküste. Aber auch ich spüre jedes Jahr die Veränderungen. Hat uns anfangs unser Mietwagenverleiher am Dubliner Flughafen morgens 8:00 Uhr noch fröhlich singend empfangen, sind wir ein paar Jahre später ewig herumgeirrt, um überhaupt unseren Mietwagenverleih zu finden.
Als ich noch in Bildbänden von Irland blätterte und mir so gewünscht habe, einmal dorthin reisen zu können, haben viele gesagt: “Was willst du denn dort? Da gibt es doch nur Steine!” Und genau die verstopfen jetzt mit ihren Wohnmobilen die engen Straßen!!
Ich vergleiche es ein bischen mit dem Wacken Open Air, welches ja gerade statt findet. Mit Metal hat man ja eigentlich nichts am Hut, aber es ist schick, sagen zu können, man war auf “Wacken”. Und dann sitzen sie mit nem Cocktail in irgendeiner Lounge, einen Blick auf die Bühne hat man ja auch so´n bisschen, auf dem Zeltplatz sein eigens angemietetes Dixiklo…usw… Und die wahren Metalfans sagen: “Nee, das hat nichts mehr mit der Szene zu tun. Die Leute, die kommen werden immer arroganter… Das ist mein letztes “Wacken!”Ich möchte niemals sagen müssen: “Das ist mein letzter Irlandurlaub!” Irland ist meine Seelenheimat! Aber irgendwie verliert Irland seine Seele!! Das macht mich traurig … und doch freu ich mich so auf den Herbst, wenn ich wieder in meiner Seelenheimat bin…“
Der Vergleich mit Wacken und den Metal-Fans macht hinreichend klar, worum es geht: Um den Unterschied zwischen Fan und Normal-Konsument. Zwischen Leidenschaft und einem „Ist-ja-ganz-nett-Gefühl“. Zwischen Erfahrung und Unterhaltung. Zwischen „Da muss ich jedes Jahr hin“ und „Da kann man ja mal einen Urlaub abfeiern“.
Manu zieht aus den Veränderungen, die sie in Irland in den vergangenen Jahren feststellt, die Schlussfolgerung: Irland ist meine Seelenheimat, aber Irland verliert seine Seele. Und genau das ist der Kern der Debatte um Skellig Michael und Star Wars: Irland verkauft seine Seele. In diesem Fall an die miliardenschwere amerikanische Unterhaltungs-Indusrtrie. Irland verkauft seine Seele — zumindest die, die wir meinen. Oder nimmt uns ein Land, das sich wie jedes andere Land im Westen Schritt für Schritt modernisiert und an die Zeit anpasst, einfach nur die schönen Projektionsflächen für unser Wohlgefühl? Fühlen wir uns lediglich mit unserer Sehnsucht nach einem tiefen Seelenraum in einer zunehmend rational-kalten Welt allein gelassen?
Oder verliert Irland wirklich seine Seele? Vielleicht stimmt beides. Eure Meinung interessiert mich.
Bild: Seite 55 aus C.G. Jung, Das Rote Buch“
Seeleninsel … in der Tat, das war sie bislang auch für mich. Ich bin leider nicht jedes Jahr dort, um so mehr fällt mir auf, was sich bis zum nächsten Besuch verändert hat. Bereits vor einigen Jahren war deutlich sichtbar, daß die schöne Landschaft immer mehr zugebaut wird, teils an den schönsten Küstenstreifen und auch die Gemütlichkeit der Kleinstädte langsam aber sicher verloren geht und damit auch der Charme, von den Heiligtümern ganz zu schweigen. Das tut mir im Herz weh. Für mich war Irland immer eine Art Zufluchtsort, heilsam und mir heilig. Und ich befürchte, daß auch dieser Ort bald keine Zuflucht mehr sein wird, Star Wars hin oder her. Viele Menschen haben vor nichts mehr Respekt und Achtung. Und wie andernorts auch, hält der Kommerz immer mehr Einzug und das verändert alles … die Natur und die Menschen. Altes Wissen geht verloren, Traditionen gehen verloren, vieles gerät in Vergessenheit, die sogenannte Moderne macht alles zunichte.
Gegen Tourismus ist m. E. nicht unbedingt etwas einzuwenden, doch kommt es auch darauf an, wie man sich als Touri verhält … mit Achtung und Respekt dem Land und den Einwohnern gegenüber (wie es als Gast eigentlich sein sollte) oder mit üblichen Anspruchsdenken in Sachen Luxus und Bequemlichkeit.
Als ich von meiner letzten Irlandreise heimflog, sas ein Deutscher hinter mir, der sich mit seinem Nachbarn entrüstet darüber unterhielt, wie primitiv die Iren und ihre Lebensweise seien und es Zeit werde, daß dort endlich der Fortschritt einzöge, das Land modernisiert werde. Genau solche Menschen braucht die Insel nicht., die zerstören nur alles und sind blind für das, was Irland ausmacht. Sowas ärgert mich sehr.
Möchte mich den Worten von Markus Bäuchle anschließen, absolut meine Meinung.
Irland hat meine Seele gerettet und es ist schon über ein Jahr her das ich dort war und die Eindrücke von dort sind immer noch so nachhaltig, das ich jeder Zeit nach Irland reisen könnte. Ich verbinde mit Irland eine große Dankbarkeit an die Leute und die herrlichen Landschaften, die manchen Kummer erträglicher machen.
Irland wird immer seine Seele behalten, immer !
Liebe Grüße an alle Irland-Liebhaber
Zitat:
„Das Hauptproblem in Irland aber ist die Durchsetzung von geltendem Recht. Erlaubt sind auf Skellig Michael während der Saison 15 Boote a 12 Menschen pro Tag, macht 180. Das drückt einerseits sehr deutlich den hohen Grad der Schutzbedürftigkeit der Insel aus, sagt andererseits aber nicht viel über die Wirklichkeit aus — weder über die heutige noch die künftige, wenn Starwars-Fans aus aller Welt in Portmagee am Pier Schlange stehen.“
Dem möchte ich insofern wiedersprechen, dass dies wohl weniger an der Schutzbedürftigkeit als an den grenzen der Infrastruktur auf der Insel liegt (noch). Die, wenn auch in diesem Bereich noch begrenzte, Fürsorge für die Touristen würden einen größeren Besucherandrang nicht zulassen.
Ich glaube daher nicht, dass sich der Besucherstrom in absehbarer Zeit wesentlich vermehren wird und wir dort solch gruselige Verhältnisse wie an den Cliffs of Moher bekommen werden.
Wir hatten 2008 das Glück gleich beim 1. Versuch übergesetzt zu werden. Auch wenn es auf dem Bild nicht so aussieht, es war eine Überfahrt mit Ko..garantie.
Erst später haben wir erfahren, dass Pilger über Jahre mehrfach angereist sind und aufgrund der Witterung nicht auf die Insel gebracht werden konnten.
Ich werde weiterhin nach Irlandfahren, in dem Bewusstsein, dass die Welt sich stetig wandelt.
Wacken 1990 kann nicht Wacken 2014 sein und wer mit romantisch verklärtem Blick ins „Irische Tagebuch“ durch Irland reisen will wird Zwangsläufig enttäuscht werden.
Wir Menschen wandeln die Welt — und müssen deshalb auch nicht einverstanden sein, wie sie sich in den vergangenen 25 Jahren wandelt — und auch nicht damit, dass die Natur nur (wie auch von Dir) unter Nutzwert-Aspekten betrachtet und behandelt wird. Sie hat einen Eigenwert, wenn nicht gar einen Selbstwert. Das sollen wir Menschen uns in Demut bewusst machen.
Ich finde es ist ein zweischneidiges Schwert, diese „Seele“ und möchte das an einem Beispiel darlegen. Als ich vor zwei Jahren nach 10 Jahren wieder auf die Insel hekommen bin, war ich auch erschrocken. Ich schätzte früher das entschleunigte Reisen ohne Autobahnen auf Bundesstraßen, die sich auch durch kleinste Dörfer schlängelten.
Heute ziehen sich Autobahnen durchs Land, eine Fahrt von Dublin nach Cork ist keine 6-Stunden-Überlandfahrt mehr sondern in zweieinhalb Stunden machbar und auch so manche von mir als romantisch empfundene Single-File-Road ist heute eine angenehm breite Landstrasse. Für mich hat Irland dadurch ein wenig dessen verloren, was ich früher so sehr schätzte.
Aber die Frage ist doch, kann man von einem Land und seinen. Menschen verlangen, allem, was wir selbst zu Hause als modern und fortschrittlich geschätzt haben oder der Teilhabe an bestimmten Trends unserer Zeit zu entsagen. Ich bin sicher, dass die Bewohner der Orte entlang der Autobahnen mein Bedauern nicht teilen und stattdessen täglich ein Dankgebet sprechen, dass die Blechlawine nicht mehr durch ihre Nester rollt.
Was bedeutet das für die Star Wars-Diskussion? Aus meiner persönlichen Sicht verliert Irland durch (verantwortlich und rücksichtsvoll geführte) Filmdreharbeiten an einem Weltkulturerbe weniger (bzw. gar keine) Seele als durch so manch andere Entwicklung. Vor zehn Jahren fand man in der Connemara-Gaeltacht nur Irischsprachige Schilder. heute hängt dort auch englischsprachige Werbung herum und B&Bs hatten irische Namen. Heute findet man auch hier das omnipräsente „Sea View“ oder ähnliches.
Dort verliert Irland wirklich etwas Seele, einen Teil seiner Kultur, aber nicht, wenn auf einer felsigen Insel mit einer alten (beeindruckenden und wunderschönen) Klosteranlage ein paar Tage lang Dreharbeiten stattfinden. Die Filmleute werden schon bald verschwunden sein und der Felsen und die Bee Hive Huts werden wieder in ihren Dornröschenschlaf zurückverfallen.
Davon abgesehen – was unterscheidet prinzipiell die Nutzung durch eine kapitalistisch-kulturschaffende Filmproduktion durch die kapitalistisch-kulturzeigende Nutzung als Sehenswürdigkeit? Vandalen gibt es auch unter Touristen und auch, wenn ich selbst leider noch nicht dort war, bin ich sicher, dass sich auf den Steinen unzählige Verewigungen ala „Mike & Sharon 1994“ finden. Solange also das Filmteam respekt- und verantwortungsvoll zu Werke geht, finde ich nichts auszusetzen.
Und noch eine Anmerkung (wenn auch das schwächste Argument): Zentrum der Star Wars Saga sind die Yedi-Ritter, ein Ritterorden, deren Meister (Obi-Wan, Yoda) zurückgezogen in der Einsiedelei leben. Insofern kann man die Dreharbeiten möglicherweise auch durch die cinematographische Brille als respektvolle Hommage an das monastische Leben damals betrachten.
Hallo Markus,
ob Irland seine Seele verliert kann und will ich nicht beurteilen. Ich denke das steht uns „Touris“ auch nicht zu. Wir sind im Jahr nur insgesamt vier Wochen in Irland. Wir wohnen nicht dort und kennen die Verhältnisse im Gegensatz zu dir wirklich nur an der Oberfläche. Für mich ist es „ein Gefühl“ das mich nach Irland zieht und dort wo wir in der Regel sind (Achill Island) hat sich seit 10 Jahren nicht wirklich etwas verändert. Allerdings leiden die Menschen auf Achill auch zum Teil darunter. Die hätten eben auch gerne dass sich die Verhälnisse an die moderne Zeit anpassen. Ich als „Touri“ bin zwei Wochen dort, freue mich über die Landschaft und unsere Freunde, aber dann bin ich wieder weg und genieße den „Wohlstand“ in Deutschland. Speziell über die Freigabe von Skellig Michael für Hollywood hab ich auch kein gutes Gefühl, aber nach meiner Meinung geht es uns Deutsche nichts an. Zum Wacken Vergleich von Manu. Ich stimme ihr da völlig zu. Allerdings muss ich sagen mein Schwager argumentiert seit Anfang der 90ziger ähnlich. Er war seit den 70zigern regelmäßig in Irland und als die Zeit des „Celtic Tigers“ losging hat er gesagt: „Irland ist nicht mehr das was es war. Ich fahre nicht mehr hin“. Also, die Zeiten und wir ändern uns und damit auch der Blickwinkel! Nebenbei, die hohe Zahl der Wohnmobile nervt mich auch, aber im Herbst und im Winter sind es sehr viel weniger, vor allem auf Achill oder in Donegal ;-). Bis dann und schöne Grüße Peter
Hallo Peter,
du schreibst „aber nach meiner Meinung geht es uns Deutsche nichts an“.
Ich bin da anderer Meinung. Skellig ist ein WELTkulturerbe, geschützt für die Menschheit schlechthin. Von daher geht die potenzielle Zerstörung aller Natur- und Kulturgüter auf diesem Planeten alle etwas an. Es ist ja nicht nur „unser Irland“, sondern unsere Welt.
Zum Thema Skellig und die Seele der Iren (und somit Irlands): Hier ein schöner Artikel, der die irische Seelenlage besonders in Kerry amüsant dokumentiert:
http://waterfordwhispersnews.com/2014/07/31/healy-rae-family-score-parts-in-new-star-wars-movie/
Zugegeben, er ist etwas insidermäßig. Man muss Healy-Rae kennen, um den Witz zu begreifen. Nur soviel: Die Healy-Raes sind der Inbegriff des ignoranten, kirchturmpolitischen, schlitzohrigen und korrupten irischen Deppen. Und die sind wirklich so.
Hallo,
Ich kann mich Dieters Argumenten anschliessen, aus den gleichen langjährigen Erfahrungen.
Auch hier im Schweizer TagesAnzeiger war ein ausführlicher Artikel zu lesen.
Das die ganze Sache so lange unter dem Deckel gehalten und weder die Unesco (Weltkulturerbe) noch die Naturschützer informiert wurden , gibt zu denken. Aber was wurden hier in den Alpen schon alles für Events veranstaltet…. Die „Spaßgesellschaft“ und die Geschäftemacher sollten wieder die Grenzen sehn.
Schöne Grüße
Christine