Lonely Planet, die bevorzugte Lektüre der globalen Tourismusgemeinde, hat ihren Daumen über das Reiseziel Dublin gesenkt. In einem Beitrag von Sasha Brady sprach der Reiseführer eine touristische Reisewarnung für seinen gehätschelten Langzeit-Liebling, die Boomtown Dublin aus: „Acht Fragen, die man sich vor einer Reise stellen sollte“ – und viele wenig schmeichelnde Antworten: Dublin im Sommer 2022, das bedeute maßlos überteuerte Hotels („700 bis 900 € für ein Zimmer an einem Juli-Wochenende“), wahnwitzige Mietwagenpreise („durchschnittlich 3000 € für einen Fünfsitzer für fünf Tage“) – und natürlich Chaos und lange Wartezeiten am Flughafen.
Lebensmittelkrise auf Irisch: Der Beitrag legt Dublin-Reisenden zudem ans Herz, den Tisch im Restaurant dringend im Voraus zu reservieren. Spontan einen Platz in den ständig überfüllten Fresstempeln der Hauptstadt zu finden sei ungefähr so wahrscheinlich wie ein Sechser im Lotto. Und selbst für das Pub spricht der Lonely Planet eine Warnung aus: Viele Kneipen hielten ohne Not an den Lockdown-Restriktionen fest und verlangten noch immer eine Reservierung für Sitzplätze. Wer also nicht den ganzen Abend stehen wolle, sollte einen Tisch reservieren. So viel zur viel zitierten Spontaneität des Inselvolks . . .
Dublin: Eine Stadt in der Identitätskrise
Wie reagierten die Tourismus-Verantwortlichen auf die schlechten Noten für die „notorisch teure City“? Man zeigte sich konsterniert, verunsichert, irritiert, voller Selbstzweifel. Die Kritik sei doch nicht fair, die Stadt müsse immerhin 4000 Flüchtlinge aus der Ukraine und 5000 Asylsuchende beherbergen. Aber stimmen würde es schon . . .
Eigentlich beschrieb Lonely Planet nur das, was in Irland jeder weiß und worunter viele Hauptstädter tagtäglich leiden. Es machte wohl einen Unterschied, dass die global vernehmbare Kritik nun „von außen“ kam.
Die Kolumnistin Jennifer O’Connell wollte in der Irish Times nicht glauben, dass der Reiseführer-Artikel die Nachrichten in der vergangenen Woche einen ganzen Tag lang beherrschte, und führte die irritierten Reaktionen der Tourismus-Entscheider in Dublin auf die sich vertiefende Identitätskrise der Stadt zurück: Dublin wisse nicht mehr, wem die Stadt dienen müsse. Die Lebenshaltungskosten halte Neuankömmlinge fern und dränge Alteingesessene heraus. Nur wer einen gut bezahlten Job bei den steuerscheuen Techgiganten Facebook, Google oder Stripe habe, könne sich noch leisten, in Dublin zu leben. Als Universitätsstadt sei Dublin studentenfeindlich, als kulturelle Metropole kunst- und kulturfeindlich. Und nun gebe sich Dublin auch noch alle Mühe, die Touristen zu vertreiben, so O’Connell.
Starker Tobak. Die Kritik der Kolumnistin gipfelt in der schmerzhaften Frage: Der Tourismus sei die größte heimische Industrie Irlands. Es stehe so viel auf dem Spiel. „Warum also versagt die Hauptstadt auf so horrende Weise?“
Gute Frage. Wir sind gespannt auf fundierte Antworten – und ob Taten folgen.
Hier der Beitrag von Lonely Planet: KlicK
Der Beitrag von Jennifer O’Connell in de Irish Times: KlicK (Paywall)
Fotos: Tourism Ireland
Klingt ziemlich nach Abzocke.. Aber ich habe auch nicht schlecht gestaunt, als ich für meinen diesjährigen Sommerurlaub nach Angeboten Ausschau hielt und für zwei Übernachtungen mit Frühstück in einem Kloster in Deutschland 232,00 € angegeben waren. Ist zwar wesentlich weniger als 500 – 700€, aber für mein Empfinden auch schon zu viel, zumal ich zu diesem Preis im Jahr 2019 am oben genannten Ort noch Vollpension für 4 Tage hatte.
Hallo
Nachdem meine Nichte den Fliegeranschluss in Dublin nach Donegal verpasste wollte ich ihr eine Hotelübernachtung spendieren.
Huch Preise lagen wirklich zwischen 500 und 700 Euro.
Also Bus bis Donegal town und von dort holten wir sie mit dem eigenen Auto ab.
Wer bezahlt solche Preise?
Unglaublich
Und wo fließt das Geld hin?
In Service und Ausstattung jedenfalls nicht.
Liebe Grüße
Carola
Leider ist an den Vorwürfen so viel wahr, auch wenn ich persönlich keinerlei Covid-Restriktionen mehr erlebe, weder in Pubs noch sonstwo.
Aber nachdem man mir gestern ein Kaffee/Schokoladen-Stand ohne Tische oder Service in einem Einkaufszentrum für einen Mitnehm-Kaffee (Becher selbst mitgebracht) mit nur einem Schuss Espresso 4 Euro 30 abgeknöpft hat (schuld war wohl die Hafermilch – ich weiß, so ein South Dublin Klischee), wundert mich einfach gar nichts mehr. Nächster Bust ahoi, da wird jetzt noch schnell das Heu eingefahren. Das ist eine meiner am wenigsten geliebten Eigenschaften irischer Geschäftsleute und wird sich wieder rächen, so wie jedesmal. Ob dann jemand was draus lernt? One can only hope.
Dazu gab Dürrenmatt in seinem Drama: “Der Besuch der Alten Dame” ein anschauliches Beispiel. Ein ganzes Dorf verkaufte seine Seele an die reiche Frau, manche profitierten in schamloser Weise, während die Mehrzahl der Bewohner sehenden Auges ihrem nicht bewusst gemachten Untergang entgegenfieberte. Man muss nur schauen wer und wo die Profiteure sind und weiß Bescheid. Aus früheren Fehlern lernen zu wollen muss weh tun.
Ich liebe Irland fast über alles, aber ans Meer fahre ich jetzt in Italien. Dort freut man sich über jeden Gast und tut alles, damit er sich wohl fühlt. Diese Einstellung könnte man als selbstsüchtig einstufen, aber so funktioniert Wirtschaft eben bis zum heutigen Tag. Wenn Staaten nicht auf das Gleichgewicht und das Wohlergehen der eigenen Leute schauen und ein gutes Auskommen des einzelnen unterstützen, dann geht alles den Bach runter. Vielleicht nicht gleich, aber irgendwann dafür umso sicherer. Alles sehr traurig für den Moment.
Ich wünsche allen, die in Irland vom bisher weitestgehend sanften Tourismus gelebt haben alles Gute und hoffentlich bald bessere Zeiten!