Bierfässer in Cork

14. Februar 2024. Heute fällt in einem Tag zusammen, was auf den ersten Blick nicht zusammen gehört: Der Tag der Liebe und der Auftakt der Fastenzeit, Valentinstag und Aschermittwoch. Der Reihe nach:

Tag der Liebe: Heute hinterlässt die Kurz-Offensive der vereinten Floristen und der Schokoladenindustrie ihre Spuren in Geldbeuteln und auf den Hüften: Heute wird wieder das Fest der Liebenden und der Verliebten begangen. Es ist Valentinstag – und ähnlich wie an Halloween macht ein weiteres Fest aus dem angelsächsischen Raum späte Karriere auf dem europäischen Kontinent. Während die katholische Kirche den Gedenktag der “Himmlischen Hochzeit” schon 1970 an den heiligen Kyrill vergab und den verehrten Bischof Valentin von Terni 1970 aus dem Generalkalender strich, kümmern sich liebende Paare wenig um den historischen Hintergrund. Heute gibt es Blumen, Süßes und vorfrühlingshafte Liebesschwüre für die Herzallerliebsten.

In Irland ist der Valentinstag wie in Großbritannien traditionell stärker verankert, was auf ein Gedicht des englischen Literaten Geoffrey Chaucer aus dem späten 14. Jahrhundert zurück geführt wird. Im vergleichsweise streng formalisierten Dating- und Beziehungswesen der irischen Liebenden stehen heute zahlreiche Fettnäpfchen bereit: Wer nicht mit formal korrekter Glückwunschkarte und einem ordentlichen Geschenk aufwarten kann, muss in der fragilen Welt der Gefühle mit ernsthaften atmosphärischen Störungen rechnen.

Tag des Verzichts: Während die Narren auf dem Kontinent heute Trauer tragen, beginnt der gute Christ im rest-katholischen Irland heute die Fastenzeit. Karneval, Fasching, Fasnacht. Das ist hier Fehlanzeige – sieht man einmal vom faschingsähnlichen Erscheinungen am St. Patrick’s Day am 17. März ab. Allenfalls am Vortag, dem Shrove Tuesday (shrove, von shrive = beichten), auch bekannt als Fat Tuesday oder Pancake Tuesday kommt ein wenig Stimmung auf, wenn die irischen Kinder traditionell zum Pfannkuchen-Wettessen antreten.

Es ist also geschafft. Auch in Deutschland und in anderen Hochburgen der Narretei. Der inszenierte Frohsinn und der spaß-bewehrte Militarismus im Saal hat wieder mal ein Ende.  Heute aber ist Aschermittwoch. Nur in Basel und auf den Bauern-Dörfern des Schwarzwalds gibt es am Wochenende noch einmal Nachschub für die Narren bei der Bauernfasnacht.

In den letzten Hochburgen der irischen Katholiken gehen Menschen heute in die Kirche, um sich Asche auf die Stirn geben zu lassen. Die Pfarrer und die Lehrerinnen in manchen Schulen segnen ihre Schäfchen mit den Überresten verbrannter Palmblätter und zeichnen ihnen ein schwarzes Kreuz auf die Stirn. Was das bedeutet, erklärte uns Nicht-Mitgliedern des Clubs ein befreundeter Messdiener:

“Die Asche gilt als Zeichen der Vergänglichkeit: Der Mensch ist aus Staub geworden und er wird wieder zu Staub werden. Zum Zeichen der Demut, der Trauer und der Reue wird der Gläubige deshalb zu Beginn der 40-tägigen Fastenzeit mit dem Aschekreuz gezeichnet. Wir sagen zum Beispiel “Asche auf mein Haupt”, wenn wir einen Fehler zugeben oder Reue zeigen.”

Ash Wednesday. Heute also beginnt die Fastenzeit, in englisch Lent – was ursprünglich “lang” und “Frühjahr” bedeutete, also die Zeit, wenn die Tage länger werden. In vielen irischen Schulen verpflichten sich die Kinder und Jugendlichen heute zum Fasten. Dabei wird der Fasten-Begriff zeitgemäß interpretiert: Die Menschen hier verzichten bis Kar-Samstag auf etwas, was sie im Übermaß genossen haben. Manche leiten deshalb am Aschermittwoch ein Streaming- und Binge Watching-Lent ein, andere ein Smartphone-Lent oder einen Verzicht auf Facebook, und ganz Radikale verordnen sich ein 40tägiges Medien-Fasten ohne Smartphone, Spielkonsole, Fernsehen und Netflix. Wieder andere versuchen, sechs Wochen lang einen weiten Bogen um Süßigkeiten, oder klassisch um Fleisch (Carnevale heißt bekanntlich “Tschüss Fleisch”!) oder um Alkohol zu machen.

Wer sich auf die lange Faststrecke einlässt, sollte noch einmal genau nachzählen. Denn die 40 Tage bis zum rettenden Ostern sind genau genommen 46 Tage.  Wie der Muslim nach dem Tagesfasten bei Einbruch der Dunkelheit kräftig spachteln darf, so hat auch die katholische Kirche für ihre Anhänger Entlastungsphasen eingebaut: An den sechs Sonntagen der Fastenzeit darf sich auch der gute Katholik mal was gönnen.


Irlandnews ist kostenlos und kostet doch. Alle aktuellen und insgesamt 3900 Beiträge aus und über Irland stehen Ihnen hier frei zur Verfügung. Sie können unsere Arbeit wertschätzen, unterstützen und mit einer Spende zur Kostendeckung beitragen. Wir würden uns darüber sehr freuen. Hier geht es zum Spendenformular.


Die Schulmedizin verbreitet seit einigen Jahren mit Verve und dem Etikett wissenschaftlich erwiesen eine Weisheit, die in der Naturheilkunde seit langem etabliert ist: Fasten ist gesund. Ob zwei Wochen am Stück (14), ob regelmäßig ein Tag in der Woche (1:6) oder ob jeden Tag stundenweise (16:8, bedeutet: nur an acht Stunden am Tag essen, 16 Stunden, inklusive Nachtruhe, nichts essen): Der Körper dankt es, denn die nahrungs-freie Zeit nutzt er zur Regeneration und Erneuerung. Der Blutzucker pendelt sich ein, der Blutdruck sinkt, die Zellen reparieren sich besser, beschädigte Zellen werden abgebaut.

Den meisten Menschen im entritualisierten Irland wird der Tag des Fasten-Beginns einfach egal sein – solange es die Valentins-Süßigkeiten gibt. Ich frage mich derweil, wie ich am besten mit der Kollision von Liebe und Verzicht umgehen kann. Sollte ich es wirklich einmal mit Liebes-Fasten versuchen?

Verzichten Sie ab heute auf etwas?

Fotos: Bierfässer in der Mutton Lane in Cork (Markus Bäuchle); Aschekreuz