Eine irische Geschichte von Marie-Louise Lagger*

Ein Tag nach seinem Tod wurde der Sarg nach alter irischer Sitte in sein Haus gebracht und geöffnet. Sie hatten ihm ein Blumensträusschen in die Hände gelegt. Bald strömten an die hundert Menschen herbei. Sie brachten Blumen, Getränke und Speisen in reichem Masse. Es wurden Geschichten über den Verstorbenen erzählt. Am Kamin hing ein Photo, wo er mit erhobenem Pint allen zuprostete. Es wurde gelacht, geweint, gegessen, getrunken.
Nach und nach trafen auch die Musiker von Westport ein. Sie setzten sich um den offenen Sarg und draußen in die alte Werkstatt. Sie packten die Instrumente aus und begannen zu spielen und zu singen. Die Stimmung war zeitweise ausgelassen, um dann wieder in Stille zu versinken. Es wurde getanzt und dann wieder geschwiegen. Er schien in seinem Sarg zu lächeln. Alle seine Freunde waren gekommen und dies von fern und nah und sie feierten zu seinem Abschied eine Party. Ganz so, wie er in seinem Leben stets zu Festen eingeladen hatte. Es war ein Kommen und Gehen, ohne Ende vierundzwanzig Stunden lang.
Am anderen Tag fand der Abdankungsgottesdienst statt, der sehr still ausgerichtet war. Zerbrechliche Gedichte, feines Violinspiel, ein klassisches Lied und einige lustige Anekdoten aus dem Leben des Verstorbenen. Als der Sarg aus der Kirche getragen wurde, standen alle Trauergäste auf und gaben ihm eine stehende Ovation. Ein spontaner frenetischer Applaus erfüllte die Kirche. Anschliessend traf sich die Gemeinde in einem Pub und es wurde wieder getanzt und gesungen, was das Zeug hielt.
Die Freunde trafen sich an seinem Geburtstag wieder. Es war ein düsterer Novembernachmittag, als seine Asche in die Clew Bay gestreut wurde. Der Himmel weinte bitterlich. Schwarze Wolken hingen tief und drohend am Himmel und ein rauher Wind trug die Asche davon. Ein einsamer Duselsackspieler stand am Meer und sandte die Wünsche und Fragen mit schönen Klängen auf den weiten Atlantik hinaus. Seine Freunde standen schweigend da, völlig durchnässt, frierend. Sie flüsterten ein leises „Good Bye my Friend and God Bless.“
Was für ein Abschied?
* Marie Louise Lagger lebt seit dem Jahr 2006 im County Mayo in der Nähe von Westport, Irland. Die Schweizerin kennt Irland seit ihrem ersten Besuch im Jahr 1980. Seitdem ging ihr die Grüne Insel nicht mehr aus dem Kopf. Heute trotzt sie der massiven Rezession in der Wahlheimat mit Optimismus.
Fotos: Eliane Zimmermann 2012

Ja, was für ein Abschied!
Wundervoll…
So wünscht man sich doch die eigene Beerdigung….
Was für ein Abschied?…Was für ein Abschied!!!
Gänsehautfaktor pur !! Dieser Mensch wurde von allen geachtet und geliebt, wer möchte nicht so leben und sterben.
Ich arbeite in einem Hospiz und weiß wie einsam Menschen oft steben müssen. Daher berührt mich dieser Artikel sehr und würde jedem ,wenns auch nur die Hälfte ist ,der Anerkennung am Ende des Lebens wünschen.