Food, Folklore und Fairies in Dublin: Irland ist berühmt für seine einzigartige Folklore und die faszinierenden Geschichten über Feen und Kobolde, die “Fairies”. Irland-Blog-Autor Dirk Huck sprach in Dublin  mit Johnny Daly über Folklore, Aberglaube und Storytelling.  Der bekannte Reiseführer und Erfinder  des Events “An Evening of Food, Folklore and Fairies”  erklärt, warum er dem Thema eine erfolgreiche Abendveranstaltung in Dublin widmet und warum manche Iren auch heute noch an die kleinen Leute aus der anderen Welt glauben.

 

Was hat es mit Deiner  Veranstaltung “An Evening of Food, Folklore and Fairies” auf sich?

Johnny Daly

Wir versuchen unseren Gästen einen Eindruck davon zu vermitteln, wie die Menschen früher in Irland gelebt haben. Es geht nicht so sehr um die politische Geschichte, die Revolutionen und Aufstände, sondern darum, wie der Alltag von ganz gewöhnlichen, einfachen Menschen im 19. Jahrhundert aussah. Es geht also um Dinge, die nicht in den Geschichtsbüchern stehen.

Woher kam die Idee?

Wir haben festgestellt, dass sich viele Touristen aus Übersee sehr für ihre irischen Vorfahren interessieren. Aber viele wissen nur wenig über Irland, vielleicht, dass ihre Urgroßmutter aus West Cork kam, und das war es dann auch schon. Sie haben keinerlei Vorstellung davon, wie ihre Vorfahren einst gelebt haben. Deshalb beschlossen wir, ihnen ein Gefühl der Verbundenheit mit ihren Vorfahren zu geben, indem wir ihnen zeigen, wie diese gelebt haben, wie sie die Welt um sich herum sahen, bevor so viele von ihnen emigrierten. So entstand die Idee für einen unterhaltsamen Abend mit Vorträgen und Geschichten, in Verbindung mit einem Drei-Gänge-Menü bei Kerzenschein  in Dublins ältestem Pub, dem “Brazen Head”.

Wie ist der Abend aufgebaut?

Den Kern des Abends bilden drei Vorträge. Im ersten geht es um Essen und Folklore. Insbesondere gehen wir auf die Kartoffel ein, die eine große Rolle in der Geschichte Irlands spielte. Wir erklären, wie es zur großen Hungersnot kam, die die Auswanderung so vieler Iren veranlasste. Wir reden auch über Aberglaube, Wahrsagerei, Liebestränke, Irish Stew, Bacon und Cabbage. Im zweiten Vortrag geht es um die Welt der Fairies. Wir ergründen, was es damit auf sich hatte, warum diese Welt für die Menschen damals wirklich existierte, und warum wir noch heute einen so großen Respekt vor Feen und Kobolden haben. Der dritte und letzte Teil des Abends widmet sich dem Geschichtenerzählen, dem Storytelling.

Woher kommt das Interesse der Menschen an Geschichten über die Welt der Fairies?

Wir leben in einer Welt, in der nur noch das Sichtbare zählt. Aber viele Menschen sind einfach von dem Gedanken fasziniert, dass es da draußen noch eine andere, unsichtbare Welt gibt. Menschen sind neugierig. Der Vorstellungskraft sind keine Grenzen gesetzt. Fantasie kann man nicht in Ketten legen.

Viele Irland-Touristen scheinen eine große Fantasie mitzubringen …

Viele Besucher kommen auf die Insel und haben diese Vorstellung vom mystischen Irland. Dieses Irland möchten sie gerne erleben, nur ist das heutzutage schwer zu erfüllen. Wir hoffen, sie mit unserem Abend zumindest für drei Stunden in eine andere Welt mitzunehmen, in der sie ihrer Fantasie freien Lauf lassen können. Viele Besucher sagen mir hinterher, unsere Geschichten hätten das Kind in ihnen wieder zum Vorschein gebracht.

Warum hat sich der Glaube an die Feen bis heute erhalten? Hier können Sie  weiter lesen .  .  .

Warum glaubten die Menschen früher an Fairies? 

Die Menschen damals hatten nicht die wissenschaftlichen Möglichkeiten wie wir heute. Es gab vieles, das sie nicht kannten und sich nicht erklären konnten. So schufen sie sich Erklärungen mithilfe der Fantasie. Alles war möglich, was sich der Geist nur vorstellen konnte. Und es gab für alles eine plausible Erklärung nach dem Motto: Wenn Du nicht weißt, was es ist – bestimmt sind es die Fairies. Das genügte den Menschen vollkommen, damit waren sie zufrieden; und natürlich hatte dieses Weltbild auch eine ganz praktische Bewandtnis.

Fairies, Folklore and Food in Dublin

Welche?

Man denke an die vielen Gefahren, die überall auf dem Lande lauerten. Es war gefährlich, nachts im Dunkeln allein durch das Moor zu laufen. Also sagte man: “Wenn Du nachts allein Durch das Moor läufst, holen dich die Fairies.” Oder es gab die Geschichten zum Schutz der Kinder. Wenn man zu einem Jungen sagte: “Spiel nicht bei dem alten Baum, dort ist es gefährlich”, dann spielte er gerade dort. Wenn man aber sagte: “Dort wohnen die Fairies, störe sie nicht”, dann machte er einen großen Bogen um den Baum.

 So entwickelten die Menschen Respekt vor alten Ruinen, Grabhügeln oder Bäumen?

Genau. Der einfache Grundsatz lautete: Rühre diese Dinge nicht an, lass sie in Frieden. Leg dich nicht mit unbekannten Mächten an. Es gibt viele Geschichten darüber, wie jemandem großes Unglück widerfuhr, weil er zum Beispiel ein Fairy-Fort anrührte. Derartige Geschichten wurden immer wieder erzählt, bis in die Neuzeit hinein.

Warum hat sich der Glaube an Fairies bis in die heutige aufgeklärte Zeit erhalten?

In vielen ländlichen Regionen Irlands trifft man heute noch Menschen, die zum Beispiel sagen: “Ich glaube nicht an Fairies. Aber den alten Baum dort fälle ich nicht. Das könnte mir Unglück bringen. Und eigentlich stört er ja auch nicht.” Auch wenn die Menschen nicht an Fairies glauben, sie haben großen Respekt vor derartigen Mächten. Auf dem Lande brauchte die Bevölkerung zum Überleben schon immer viel Glück. Und mit seinem Glück spielt man nicht, da mischt man sich nicht ein. Aberglaube wurde von Generation zu Generation weitergegeben, von den Großeltern auf die Kinder vererbt, und hat sich so in den Genen regelrecht festgesetzt. Wir alle kennen irgendeine Form von Aberglauben. Mein Vater zum Beispiel hätte sich nie an einen Tisch mit dreizehn Personen gesetzt.

Kennst Du aktuelle Beispiele  für den Glauben an Fairies?

Noch in den 1960er und 1970er Jahren wurden in Irland Bauprojekte geändert, weil zum Beispiel auf der geplanten Route einer Schnellstraße ein alter Fairy-Baum stand. Also baute man die Schnellstraße um den Baum herum. Niemand wagte es, den Baum anzurühren. Vor ein paar Jahren erzählte mir mein Bankberater, dass er einst in seinem Garten einen alten Fairybaum gefällt hatte, die Reste in den Kofferraum packte und auf der Fahrt zur Entsorgungsstelle zum ersten Mal in seinem Leben einen Autounfall hatte. Von da an schwor er sich: “Mit diesen Mächten lege ich mich nie wieder an.” Solche Geschichten hört man immer wieder.

Brazen Head Dublin

Das Brazen Head Pub in Dublin

Im alten Irland überlieferten professionelle Geschichtenerzähler, die “Seanchié”, die Kunde von Feen und Kobolden. Siehst Du Dich in dieser Tradition?

So weit möchte ich nicht gehen. Ich bin kein ausgebildeter “Seanchié”, aber ich liebe es, Geschichten zu erzählen. Ich bin ein Daly, und die O’Dalaighs stellten früher unter den irischen Chieftains viele Barden. Vielleicht liegt es mir deshalb im Blut, Geschichten zu erzählen. Ich interessiere mich für irische Geschichte und teile diese Begeisterung gerne mit den Menschen.

Was braucht es, um Geschichten wirklich packend zu erzählen?

Vor allem muss man mit Leidenschaft bei der Sache sein. Dann kann man sich vor die Menschen stellen und ihnen die faszinierendsten Geschichten erzählen. Wenn man selbst keine Lust hat, kann auch kein Funke überspringen. Ein guter Rat für Geschichtenerzähler lautet: Erzähle keine Geschichten, die Du selbst nicht gut findest, erzähle nur die Geschichten, die Du selbst toll findest. Geschichten, die wirklich gut sind, erzählt man gerne immer wieder – und mit jedem Erzählen werden sie besser.

Wie hast Du das Material für den Abend recherchiert?

Zunächst einmal habe ich viel in Büchern aus der Leihbibliothek nachgelesen. Dann kam mir zugute, dass es in Irland eine große Sammlung an Aufzeichnungen über Folklore gibt, das “Folk Memory of the People” –  schriftliche Aufzeichnungen und Tonbandaufnahmen aus den 1930er Jahren, die die Erzählungen und das Wissen der Menschen überliefern. Sobald ich eine grobe Idee davon hatte, was ich in meinen Vorträgen präsentieren wollte, setzte ich mich mit Fachleuten vom Institut für Folklore hier am University College Dublin zusammen. Ich wollte sicher stellen, dass ich meinen Gästen keinen Unsinn erzähle.

Wer sind Deine typischen Gäste?

Wir haben Gäste aller Nationalitäten und Altersgruppen, von sieben bis neunzig Jahren. Es gibt viele touristische Veranstaltungen mit Musik und Irish Dancing, aber keine, die das Leben der gewöhnlichen Menschen von damals und deren einzigartige und reichhaltige Folklore thematisiert, für die Irland bekannt ist. Man muss in der Zeit zurückgehen, um das heutige Irland besser verstehen zu können. Viele unserer Gäste kommen am Anfang ihres Irlandurlaubs zu uns. Wenn sie anschließend im Land unterwegs sind, sehen sie die Landschaft mit ganz anderen Augen. Ist das dort ein Fairy-Baum? Wohnen dort in dem Ringfort vielleicht Fairies? Mit unserer Abendveranstaltung möchten wir ihnen helfen, das mystische Irland zu finden, das sie gerne erleben möchten.

Johnny, vielen Dank für das Gespräch.

Johnny´s Veranstaltung im Brazen Head findet in den Sommermonaten jeden Abend außer montags statt. Beginn ist um 19 Uhr. Alle Infos hier.

Fotos: Dirk Huck (3); Reproduktion des Gemäldes “Meadow Elves” von Nils Blommér (1850), oben.