Morty Oge wurde in Eyeries auf Beara geboren – heute eines der buntesten Dörfer Irlands

 

Geschichten von der Beara-Halbinsel im Süd-Westen Irlands (Teil 28)

von Peter Bernhardt* 

Heute erzählt Peter Bernhardt die Geschichte von Morty Oge O’Sullivan, einem Mann, von dem es mehr Geschichten, Sagen und Mythen gibt als gesicherte Fakten. Und kein einziges Bild.

Mutagh (Morty) Oge wurde im Jahre 1718 in Eyeries, County Cork geboren. Er war ein direkter Nachfahre des bekannten Donal Cam aus dem O’Sullivan-Clan und betrachtete sich somit als rechtmäßigen Chef und Besitzer der Beara-Halbinsel, wo die O’Sullivans vier Castles inne hatten. Doch die Engländer haben dieses Geburtsrecht nie anerkannt, und somit war Morty landlos und arm. Morty Oge war ein großer, aufrechter Mann mit breiten Schultern und schwarzem Haar. Flinkfüßig, Linkshänder und furchtlose Augen. Eine Geschichte berichtet, daß der junge Morty mit seiner Mutter, die schon früh verwitwet war, von John Puxly aus Dursey Island ausgewiesen wurde. Eine andere Geschichte sieht Jung-Morty in der Obhut einer Pflegemutter auf Dursey-Island.

Seis drum, Morty Oge verließ Irland als junger Mann und startete eine sehr wechselvolle Karriere. Von 1742 an diente er als Hauptmann in der österreichischen Armee. Als Anerkennung seiner Verdienste erhielt er von Maria Theresia ein reich verziertes Schwert. Im Mai 1745 kämpfte er in der Schlacht bei Fontenoy. Dort kämpften Engländer, Hannoveraner, Österreicher und Niederländer während des Österreichischen Erbfolgekrieges gegen die Franzosen. Die Schlacht endete mit dem Sieg der Franzosen.

Schon im April 1746 war Morty in Schottland und nahm an der Seite des Stuart-Prinzen Charles Edward (genannt Bonnie Prince Charlie) an der Schlacht bei Culloden gegen die Engländer teil, die für den Thronanwärter verheerend verloren ging. Die lokale Überlieferung weiß zu berichten, daß Bonnie Prince Charlie auf der Flucht über Donegal auch auf Dursey Island Station machte, wo er von den Franzosen aufgenommen und nach Frankreich gebracht wurde.

Auch Morty kehrte zurück auf die Beara Peninsula und heiratete die Tochter von Dermod MacOwen O’Sullivan, von Rossmacowen bei Castletownbere.

Morty war ein erfahrener und mutiger Segler und keiner kannte die Küste besser als er. Schmuggel hatte für ihn eine Faszination und er war verliebt in Abenteuer. Das gab ihm die Möglichkeit, den Engländern eines auszuwischen. Er hasste sie. Geschmuggelt, also heimlich importiert wurde in erster Linie Wein, Brandy und Tabak, exportiert wurde Wolle. Darauf stand ein Export-Verbot. Morty entwischte den Engländern verschiedene Male. Einmal steuerte sein Schiff durch die gefähliche Enge zwischen Crow Island und Cat Rock. Die Engländer, die sich nicht auskannten, mußten den weiten Umweg um die Insel machen, das kostete Zeit und der Vorspung von Morty war so groß, daß er den Engländern entwischte. Ein anderes Mal täuschte er seine Verfolger, indem er alle Lampen auf seinem Schiff löschen ließ und dafür ein Faß mit Teer entzündete und das treiben ließ. Die Engländer jagten den treibenden Köder, während Morty im Schutz der Dunkelheit seiner Freiheit entgegen segelte.

Morty Oge liebte seine Heimat und nutze auch jede Gelegenheit, seine Geburtsstätte und seine Familie aufzusuchen. Es schmerzte ihn sehr mit anzuschaun, dass sein Stammhaus von Fremden besetzt war.

Morty Oge und John Puxley begegneten sich auf dem Schlachtfeld bei Culloden und es wird erzählt, daß Morty Puxley auf seinem Schiff zur Flucht verholfen hat. Dieser Umstand machte Puxley erpressbar und Morty wußte es auszunutzen. Puxley mußte stillschweigend zuschauen, wie Morty glänzende Geschäfte mit Schmuggel betrieb, profitierte allerdings auch davon, weil er einen Anteil an den Gewinnen bekam.

 

Morty Oge hinterließ kaum Spuren. Hier in Eyeriesbeg, wo heute ein Ökonomiegebäude zu sehen ist, stand sein Haus.

 

Doch Morty Oge wurde übermütig und übertrieb seine Geschäfte. Gegen Ende 1749 sorgte er auch noch für „menschlichen Nachschub“ für die französische Armee. Meistens waren es Deserteure von Armee und Marine. Später waren es auch arglose irische Bauernsöhne, die er anwarb, allerdings unterschrieben sie ihre „Einberufung“ nicht immer freiwillig. Für Morty war diese Rekrutierung ein lohnendes Geschäft. Bekam er doch für jeden „gelieferten“ Mann 5 Pfund. Die Männer wurden bis zu ihrem Abtransport in einem gut bewachten Raum auf Dursey Island gehalten. Das Maß war voll, als sich eine Mutter bei Puxley beschwerte, daß Morty ihren einzigen Sohn entführt habe. Puxley stürmte daraufhin mit ein paar Gefolgsleuten die „Festung“ auf Dursey, befreite die Männer und zerstörte das Gebäude.

Der nächste Zwischenfall ereignete sich in Abwesenheit von Morty, der wieder einmal mit einer „Ladung“ dem Kontinent entgegen segelte. Puxley und seine Mannen erschossen einen Vetter von Morty, ein Junge namens Denis. Es wird erzählt, daß die Soldaten mit dem Kopf „Fußball spielten“! Als Morty davon erfuhr, forderte er Puxley zum Duell auf. Doch dieser antwortete arrogant: „It did not become an English gentleman to fight an Irish Papist!” Das war der fehlende Tropfen . . .

John Puxley, der ab 1752 auch als Kommissar für Finanzen eingesetzt wurde, mußte sich nun entscheiden, und er war wild entschlossen, den Schmuggel-Aktivitäten seines ehemaligen Mitarbeiters ein Ende zu setzen. Dazu stand er dann doch zu loyal zu seiner englischen Krone. Trotzdem ging Morty auch weiterhin straffrei seinen Schmuggel-Geschäften nach. Warum sollte er auch damit aufhören, war Schmuggeln über Jahrhunderte für die lokale Wirtschaft doch eine fundamentale Einnahmequelle.

Es kam zum Unvermeidlichen. Zum folgenden Geschehen gibt es auch wieder unterschiedliche Versionen. Die eine beschreibt, dass bei einem Treffen die beiden in eine heftige Auseinandersetzung gerieten, die darin endete, daß Morty Puxley erschoß. Die glaubhaftere Geschichte will wissen, daß Morty in Begleitung von zwei Kumpanen am 10. März 1754, einem Sonntag Morgen, in einer Schmiede, ganz in der Nähe des Pförtnerhauses der Puxley Familie auflauerte, als diese auf dem Weg zur Messe war. Auch bei diesem Treffen wurde heftigst über Vieles gestritten, was sich so in letzter Zeit angesammelt hatte und Morty forderte auch diesmal Puxley zum Duell auf. Puxley soll daraufhin auf Morty geschossen haben, verfehlte ihn allerdings. Dann schoß Morty zwei Mal. Der zweite Schuß war tödlich!

Auf die Ergreifung von Morty Oge wurde eine Prämie von 200 Pfund und auf die beiden Anhänger je 100 Pfund ausgesetzt. Der Umstand, daß Morty nun geächtet und vogelfrei war, hielt ihn nicht davon ab schon am nächsten Tag wieder zu einem Trip auf den Kontinent aufzubrechen. Doch seine Rückkehr blieb nicht geheim. Als sein Schiff den Dursey Sound passierte, wurde das gesehen und an höhere Stelle weitergeleitet. Puxleys Witwe hatte einen Neffen in Cork, der sich umgehend mit 50 Soldaten auf den Weg nach Castletownbere machte und weiter zum Haus von Morty in Eyeriesbeg. Einer der Soldaten mit Namen Harris fühlte sich unwohl, weil Morty ihm einmal aus der Patsche geholfen hatte. Als die Truppe einen Bach überqueren mußte, stolperte Harris und löste einen Schuß aus, der Morty warnte. Daraufhin brach man das Unterfangen ab und zog sich nach Castletown zurück. Auf halbem Wege wurde Harris erschossen und seine Leiche im Moor versenkt.

 

Dursey Sound

Als Mortys Boot durch den Dursey Sound fuhr, wurde es von den Feinden entdeckt

 

Morty bereitete sich auf die Flucht für den nächsten Morgen nach Frankreich vor. Alles war wohl organisiert. Die Nacht des 4. Mai war furchtbar. Es stürmte und regnete wie aus Eimern. Die Soldaten, die in Dunboy stationiert waren, machten sich auf den Weg. Diesmal war unter den Soldaten ein Mann namens Tim Scully, der hatte wegen einer lang zurückliegenden Geschichte Morty Rache geschworen. Tim und ein anderer Einheimischer führten die Truppe über die Berge nach Eyeriesbeg und umstellten Mortys Haus. Als die Hunde Allarm schlugen, wußte Morty sofort, was die Stunde geschlagen hatte, er rief nach dem anführenden Offizier und bat darum, dass den Frauen und Kindern freier Abzug gewährt würde. Der Offizier war damit einverstanden. Weil Morty den Engländern aber nicht ganz vertraute, steckte er seinen Sohn vor dessen Abzug in Mädchenkleider.

Dann griffen die Soldaten an. Die Eingeschlossenen verteidigten sich heldenhaft. Doch als das stroh-gedeckte Dach Feuer fing und der Qualm im Haus die Männer zwang zu handeln, schickte Morty einen Mann nach dem anderen hinaus und hoffte die Soldaten würden den Flüchtenden folgen und damit der Belagerungsring „ausgedünnt“! Doch man wartete auf Morty. Einer der Flüchtenden hatte die Gestalt und Größe von Morty und als der von Ufer zu Ufer und Böschung zu Böschung sprang, rief Scully: “Laßt ihn laufen, es gibt nur einen, der so springen kann und das ist nicht Morty, das ist Daniel Harrington“!

Nun sprang auch Morty aus dem Fenster, einzig bewaffnet mit seinem österreichischen Schwert. Beim Sprung über den Zaun traf ihn der zweite Schuß tödlich. Mortys Leichnahm wurde quer über den Sattel eines Pferdes gelegt und nach Castletownbere gebracht. Es wird erzählt, daß seine Füße auf der einen Seite des Pferdes und seine Haare auf der anderen den Boden berührten, so groß muß er gewesen sein. Nach drei Tagen verließen die Soldaten Castletownbere per Schiff und zogen den Leichnahm an einem langen Seil im Wasser hinter sich her. In Cork angekommen, trennte man den Kopf vom Körper und pflanzte ihn auf eine Lanze hoch über dem Eingangstor zum Gefängnis. Sein kopfloser Körper ist angeblich innerhalb der Festungsmauern von Ford Elizabeth beerdigt. Das war das Ende von Morty Oge O’Sullivan.

Die beiden Kumpane von Morty wurden ebenfalls für schuldig befunden und zum Tode verurteilt. Auch ihre Köpfe wurden neben Mortys Kopf aufgespießt. Mortys Sohn, der in der Nacht, in der sein Vater getötet wurde, entkommen konnte, war unter dem Namen John of Inches bekannt. Mit seiner Mithilfe konnte die Obrigkeit in Cork einige Räuber dingfest machen. Dafür erhielt er die Erlaubnis, den Kopf seines Vaters zu bergen. John verlor sein Leben mit 23 Jahren bei einem Duell mit seinem Onkel Mark. Es wird erzählt, daß dieses Duell geplant war, um John los zu werden. Und der Onkel spielte dabei ein falsches Spiel. John hinterlies seine Frau, drei Töchter und einen Sohn. Erstaunlich, wen er mit 23 Jahren schon alles “auf die Beine“ gestellt hatte.

 

Bücher IrlandWer mehr über die Geschichte und Person von Morty Oge O’Sullivan wissen möchte, dem sei das detailreiche Geschichtswerk “Murtaí Óg Ó Súilleabháin: A Life Contextualised” des irischen Autors Gerard J. Lyne empfohlen (Dublin 2017). Der Keeper of Manuscripts in der National Library of Ireland in Dublin stammt von der Beara Peninsula und hat viele historische Beiträge über die Südwest-Region Irlands veröffentlicht. 

 

PS: Peters Geschichten von der Beara Peninsula erscheinen regelmäßig hier auf Irlandnews.

 

Fotos: Peter Bernhardt (1), Markus Bäuchle (2), Geography Publications (1)