Coast Guard Irland

Die ehemalige Coast Guard Station von Ballycrovane

 

Geschichten von der Beara-Halbinsel im Süd-Westen Irlands (Teil 30)

von Peter Bernhardt* 

Heute erzählt Peter Bernhardt den zweiten Teil der Geschichte der Küstenwache auf der Beara Peninsula. Die britischen Coast Guard Stations waren bei der irischen Bevölkerung nicht beliebt, und von vielen fehlt heute jede Spur. (Teil 1 erschien hier.)

 

Auf den alten 6-Inch-Landkarten (1. Ausgabe 1838 und die Überarbeitung aus den Jahren 1896-1900), sind auf der Beara Halbinsel sieben Coast Guard Stations  (CGS) zu entdecken. In der ersten Geschichte habe ich von den Coast Guard Stations in Castletownbere, Eyeries und Ballydonevan berichtet. Das waren CGS, über die es Dokumentationen gibt und von denen auch noch Überbleibsel in Form von Ruinen oder Renovierungen zum Zwecke einer Neu-Bewohnung zu sehen sind. Ich hab mich dann auf die Suche nach den verbliebenen gemacht und habe darüber nur sehr wenig in Erfahrung bringen können.

Vorab aber etwas Grundsätzliches, und wie ich finde Interessantes, über die Coast Guard Stations in Irland.

Im September 1822 gab es noch eine „Küsten-Lücke“ zwischen der Dunmanus Bay (West Cork) und Kilmakilloge (Kerry) zu schließen und man machte sich daran, in Toormore, Kilcrohane, White Horse, Adrigole, Castletownbere, Black Ball Head, Garnish, Reentrusk und Ballycrovane weitere Coast Gurad Stations zu errichten. (In diesem Bericht tauchen drei weitere CGS auf, die nicht auf den alten Karten eingezeichnet waren.) Schon ein Jahr später, am 28. Oktober 1823 meldete der verantwortliche General-Rechnungsprüfer James Dombrain der Untersuchungskommission, er habe entlang der irischen Küste 160 Coast Gurad Stations errichtet und sie mit 1821 Männern (Offiziere und Bootsleute) und 33 Inspekteuren, sowie mit etwa 200 Teilzeit-Bootsmännern besetzt. In einem anderen Bericht aus dem Jahre 1845 werden 265 Coast Guard Stations rund um die irische Küste erwähnt, „…zur Verhinderung von Schmuggel, ausgestattet mit 20 Revenue Cruisers und 1381 Boatmen“.

Adrigole

Ehemalige Coast Guard Station in Adrigole



Englische Behörden waren eifrige Verwalter, und so gibt es für die Jahre 1830 bis 1860 eine komplette Liste mit all den Namen des Personals, die in solchen Coast Guard Stations Arbeit gefunden haben. Die wohl überwiegende Zahl der Offiziere trugen irische Namen. Ob sie auch Iren waren? Das Personal der Stations ging in die Hundert und zeigt, wie bedeutsam es war, hier angestellt zu sein und nach der Verrentung auch eine Pension zu bekommen, die die Männer und ihre Familien im Alter nicht in Armut entließ.

Die Iren haben im 19. Jahrhundert einige Hungersnöte durchmachen müssen, die schlimmste war die in den Jahren ab 1845. Millionen von Menschen verloren ihr Leben oder verließen ihre Heimat. In diesen Hungerjahren bekommen die Coast Guards einen besonderen Stellenwert. Von 1831 an bis zum Ende des Jahrhunderts wurde der Coast Guard-Service eingesetzt, um beim Verteilen von Lebensmitteln entlang der Küste zu helfen. Alleine im Jahre 1835 verteilte der Sevice entlang der Küste Kartoffeln im Wert von 1300 Pfund. Alleine 30 Tonnen in Clifden, wo sich ein Captain Dombrain persönlich eingesetzt hat, über 1000 Familien im abgelegenen Connemara zu helfen. In diesem Jahrhundert war oft der einzige Zugang zu den Gemeinden entlang der Süd- und West-Küste übers Meer, denn das Straßensystem, was wir heute kennen, gab es nicht. In der Regel befanden sich die Coast Gurad Stations auf Landzungen, Buchten oder Meeresarmen und erschlossen damit die Gebiete, die von der Hungersnot besonders betroffen und ohnehin schwer zugänglich waren.

Für Angestellte der Coast Guard war Irland, speziell aber die Westküste, kein attraktiver Arbeitsplatz. Die Unterkünfte waren ärmlich, besonders für Familien. Die Stationen waren meistens weit abgelegen von Orten. Die Ausbildung der Kinder war schwierig. Hinzu kam, daß Kontakte von Seiten der Bevölkerung vermieden wurde. Sie galten als verlängerter Arm der verhaßten Besatzer.

Kein Wunder, dass die Besatzung, die überwiegend englisch war, sich nach einem Job im Mutterland sehnte. Aber es gab offensichtlich auch unterschiedliche Erfahrungen mit der irischen Bevölkerung. Während die Coast Guard Mitglieder im rebellischen County Cork deutlich mehr auf Widerstand stießen, bis hin zu den beschriebenen Überfällen mit Todesfolge, sind in anderen Landesteilen Guard-People, als „Dein Freund und Helfer“ angesehen worden.

Im Laufe der Jahre bekamen die Coast Guard Angestellten spezielle Aufgaben. Sie sollten ausspionieren, wie die irische Bevölkerung ihr „traditionelles Recht“ ausübt, etwa den Schmuggel. Auch interessierte sich die Obrigkeit, wer und wo der Poteen (schwarz-gebrannter Whiskey) gebrannt wurde. Und eine weitere Aufgabe kam hinzu, die Verhinderung des Waffenschmuggels. Von Dublin Castle kam das Verbot an die Besatzungen der Coast Guard Stations, sich nicht mit der lokalen Bevölkerung zu „verbrüdern“ und keinen Kontakt innerhalb der Station zuzulassen. Die Stationen waren inzwischen befestigt und bewaffnet. Das führte dazu, dass die Beziehung zur lokalen Bevölkerung beim Ausbruch des Unabhängigkeits-Krieges ihren Tiefpunkt erreichte.

1922 wurden die 109 verbliebenen Stations dem irischen Freistaat übergeben. Einige der Stations waren im Bürger-Krieg schwer beschädigt oder zerstört, andere wurden verkauft und in „normale“ Wohnsitze umgebaut, die auch heute noch genutzt werden.

 

Das könnte das Gebäude der ehemaligen Coast Guard auf Bere Island sein . . .

 

Nun aber zum Verbleib der sieben weiteren Coast Guard Stations auf der Beara Peninsula. In Archiven werden Coast Guard Stations in Adrigole, Collorus, Ballycrovane und Bere Island erwähnt, zuzüglich der oben erwähnten drei Stationen:  Black Ball Head, Garnish, Reentrusk. Doch Geschichten, wie sie über die Coast Guard Stationen in meiner ersten Geschichte (Castletownbere, Eyeries, Ballydonevan) überliefert sind, konnte ich nicht finden.

Die Coast Guard Station in Adrigole (Foto Mitte) ist in ein Wohnhaus umgewandelt, dort lebt jetzt eine irische Familie. Auch die Station in Ballycrovane (Foto ganz oben)  ist in ein Wohnhaus umgewandelt worden.

In Collorus weist bis auf die alte Karte nichts mehr auf eine Coast Guard hin. Weder eine Ruine noch Grundmauern. Auch heute dort lebende Bewohner konnten mir über den Verbleib keine Auskunft geben. In einem Archiv habe ich allerdings eine Notiz gefunden, darin wird berichtet: „Ein gewisser Thomas Salter ist am 31. Dezember 1865 von der Coast Guard Station in Colaris (or Collorus) in Rente gegangen. Er ist möglicherweise der Thomas Salter, der in Cork im Jahre 1875 gestorben ist!“ Auch eine Familie John Howell wird erwähnt. Seine Frau Elizabeth (Trewhella) war die Tochter des leitenden Schmiedes in den Allihies-Kupferminen. Ihre drei Kinder sind ganz offensichtlich auch in Collorus geboren.

Und zu guter Letzt die Coast Guard auf Bere Island (Foto). Die von mir befragten Isulaner waren zwar alt, aber nicht alt genug, um sich an diese Zeiten zu erinnern. Selbst auf die Frage, welches Gebäude denn einstmals die Coast Guard Station gewesen sei, habe ich widersprüchliche Antworten erhalten. Eine erwähnenswerte Geschichte hatte keiner zu bieten. Ich denke, das Verhältnis der Inselbewohner zur britischen Militär-Besatzung, die auf Bere Island ein großes Basis-Lager hatten, war gespalten. Einerseits haben dort viele Iren bei den Engländern Arbeit gefunden, andererseits hat die Insel-Lage überschaubare Verhältnisse geboten. Da wäre man schnell aufgeflogen, wenn man Aufrührerisches im Schilde geführt hätte. Und so habe ich von dem Gebäude ein Foto gemacht, was mich stark an die Coast Guard Station in Eyeries erinnert hat.

Über Black Ball Head, Garnish, Reentrusk kenne ich zwar die Örtlichkeiten, von der Existenz der Coast Guard Stations aber keine Spur mehr: Es ist offensichtlich kein Stein auf dem anderen geblieben. Die 6-Inch-Karten waren zwar ausgesprochen detailgetreu, doch die dazugehörenden Orts- und Gebäude-Beschreibungen waren in vielen Fällen recht unpräzise platziert.

Nun lag diese Geschichte schon eine geraume Weile fertig in der Schublade, als ich zufällig bei der Recherche anderer Themen auf eine Notiz gestoßen bin, in dem ein Leutnant John J. Keeling, im Jahre 1845, Chief Inspecting Officer (Commander) der Coast Guards war. Im gleichen Jahr zählte man demnach 22 Coast Guards rund um die Beara Halbinsel. Wo sich allerdings die restlichen 15 Coast Guards befanden, bleibt für mich weiterhin im Dunkeln.

Aber, ich werde dranbleiben und vielleicht gibt es dann doch noch eine Fortsetzung dieser Geschichte . . .

 

PS: Peters Geschichten von der Beara Peninsula erscheinen regelmäßig hier auf Irlandnews.

Fotos: Peter Bernhardt