Gestern abend ballten sich vor irischen Fernsehgeräten viele Hände zur Siegerfaust, Erinnerungen an die Zeit der San Patricios wurden wach: Stellvertretend für Irland fegten die alten Freunde aus Mexiko das Star-Ensemble aus Frankreich souverän vom Rasen – die französischen Fußballer  können bei der WM in Südafrika fast schon die Koffer packen. Thierry “die Hand” Henry saß derweil eingemummelt und depressiv auf der Ersatzbank. Der Mann, der Irland mit einem doppelten Handspiel um die Teilnahme an der Fußball-WM brachte, musste zusehen, wie die gallische Gurkentruppe sich auseinandernehmen ließ.

In Irland werden Fußball-Triumphe derzeit unter doppelt negativem Vorzeichen herbeigehofft: Paddy Soccer hat in Abwesenheit von Trappatonis Green Squad nur zwei emotionale Ventile, um sich Genugtuung zu verschaffen: Das eine öffnete sich gestern abend weit, als die Franzosen untergingen und die auf einem Foulspiel aufgebaute WM-Mission frühzeitig endete (ja, eine klitzekleine rechnerische Chance haben die tief zerstrittenen “Les Bleus” noch . . .).

Das andere Ventil zum Frust Ablassen ist die traditionell gepflegte Feindschaft gegenüber dem Team von England. Zwar lieben alle irischen Kids die Soccer-Helden von Manchester United, von Chelsea oder Liverpool – wenn es aber um Länderspiele geht, dann wünscht Paddy den Gerards, den Lampards und Rooneys nur das Schlechteste, nämlich ein möglichst frühes Ausscheiden und fette Niederlagen. Nach dem ersten mediokren WM-Spiel der Engländer zu urteilen, könnte auch diese irische Rechnung aufgehen.

Der Kolumnist Declan Lynch warf vor kurzem in der Irish Times die spannende Frage auf, ob es nicht an der Zeit sei, sich endlich mit Englands Fußballern und so auch mit der schwierigen gemeinsamen Geschichte auszusöhnen. Er erinnerte sich an seine unschuldige Kindheit, als er  völlig unbefangen England-Fan war und die Glücksgefühle eines Fans erlebte. Erst später lernte er, dass er als Ire die verhasste Vaterfigur England nicht unterstützen sollte. Declan Lynch jedenfalls meint angesichts der vielen Gemeinsamkeiten von Engländern und Iren: “Es ist an der Zeit, dass Paddy den alten Feind als Freund umarmt”. Recht hat er. Wir als Deutsche dürfen uns trotzdem auch in Zukunft über Englands Elfmeterschützen und ihre glücklosen Torwarte lustig machen.

Foto: FIFA. Thierry Henry (oben), der zweitberühmteste Handspieler der Fußballgeschichte, wird bei der WM in Südafrika nicht glücklich. Der berühmteste Fuß-Handballer, die “Hand Gottes” Maradona, steuert mit Argentinien derweil auf Erfolgskurs.