Schafe in Irland: Ich kann mich der Faszination auch nicht entziehen. Die Vierbeiner im rohweißen Mantel nehmen uns gefangen und wollen ständig fotografiert werden. Weil sie niedlich und kuschelig wirken. Unschuldig und friedlich. Was wäre Irland ohne Schafe? Die Antwort ist: Ein ökologisch vielfältigeres und gesünderes Land.
Wir lieben die kargen, weiten und offenen Berge Irlands. Doch was wir sehen, ist keine Natur. Wir nennen es Kultur-Landschaft und beschönigen auch damit. Dies sind leer gefressene, geplünderte und über die Jahrhunderte evakuierte Biosphären mit minimaler Artenvielfalt. Das Millionen Gebisse zählende gefräßige Heer der Schafe hat in Jahrtausende langer Nahrungssuche die Wiesen und Weiden, die Hänge, Bergkuppen und Täler der Insel kahl gezupft. Was bleibt sind schön anzuschauende Wüsten.
Die Schafe haben die Erdschollen vom Fels gerupft, den Boden mit ihren Hufen verdichtet und die meisten Pflanzenarten zertrampelt, zermalmt und vertrieben. Nach den Pflanzen, den Büschen, Sträuchern, Kräutern und Bäumen verschwanden die Tiere: die Vögel, die Insekten, die Säuger. In Irlands Bergen kann man die Stille hören — und dies ist nicht nur der Abwesenheit von Motoren- und Maschinenlärm geschuldet.
Wer die Augen nicht hinter der grünen Brille verbarrikadiert und wer genau schaut, sieht extrem geschädigte LAndschaften, schön anzusehende Wüsten. Ohne Pflanzenvielfalt und weitgehend ohne Tiere — außer dem Schaf. Das Schaf ist vor drei- oder viertausend Jahren von frühen Siedlern nach Irland gebracht worden. Die Ökosysteme auf der Insel haben eigentlich keine Abwehrsysteme gegen die genügsamen Vegetarier, die es auf das Gras und die Wildkräuter abgesehen haben, im Zweifelsfall aber auch der jungen Birke, dem zarten frischen Ginster, dem Ilex und der Weide den Garaus machen. Das Schaf dominiert die offene Landschaft und den Lebensraum von Tieren und Pflanzen.
Der britische Autor und Umweltaktivist George Monbiot schreibt in seinem lesenswerten Buch Feral – Rewilding the Land, Sea and Human Life, dass das Schaf auf den Britischen Inseln (in Irland, Wales, Schottland und England) mehr ökologischen Schaden angerichtet hat als alle Bautätigkeit der Menschen zusammen. Ein drastischer Vergleich, der das unschuldige Wolltier, vor allem aber den wahren Ausbeuter der Lebensräume, den schafhaltenden Menschen, ins rechte Licht setzt. Das Schaf betritt mit Genehmigung des Menschen blühende Landschaften und verwandelt sie Stück für Stück in wüstenhafte Öko-Desaster.
Die theoretische Lösung? Rewilding. Die Menschen begrenzen sich ein Stück weit und lassen zu, dass die Wildnis Teile der Erde wieder übernimmt. Die Realität: Weiter so, warum etwas ändern? Sieht doch schön aus, und das haben wir immer schon so gemacht. Oder?
Fotos: Markus Bäuchle / Wanderlust
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Wildnisentwicklung ist auch in Deutschland ein wichtiges Thema, ist sie doch dir Grundlage für Artenvielfalt. Mein Frage: Gibt es in Irland Nationalparks OHNE Schafe? Hierzulande werden sie ja oft als Landschaftpfleger eingesetzt, um gemeinsam mit Koniks, Wasserbüffeln, Eseln etc. bewusst eine Verbuschung zu verhindern, beispielsweise in den deutschen Heidelandschaften.
Natur – Kultur …in meinen Augen eine allzu akademische Unterscheidung.
Warum sollte eine Kulturlandschaft keine „Natur“ sein. „Kultur“ macht uns zu Menschen. Als Mensch verändern wir die Welt, machen sie für uns nutzbar. Ein Erfolgsmodell ohne gleichen. Würden wir nicht so handeln und immer gehandelt haben, hätten wir nicht die Muße die „Natur“ – „Kultur“ oder wie man es nennen will, zu betrachten. Zumindest könnten wir, wie das Schaf den vermeintlichen Unterschied nicht erkennen. Wir sind Teil der Evolution (vorausgesetzt man glaubt an diese Theorie) und wie jeder Teil der Biosphäre nehmen wir Einfluss. Zugegeben ist unser Einfluss recht bedeutend, aber immerhin sind wir uns dessen Bewusst.
… manchmal beneide ich das Schaf, das von alledem nichts weiß…
… die engländer dürfte es gefreut haben, hatten sie doch deswegen einen freien „überblick“ und es war u.u. deshalb relativ leicht, ein so armes land mit seinen arm gehaltenen menschen unter kontrolle zu halten. keine verstecke, nicht genug rohstoffe um sich evtl. auch im geheimen zu versorgen.
aber ironie beiseite, trotzdem sehen wir dieses land, das wir „besuchen“ und nicht einfach touristisch abgrasen, in seiner, in jahrtausenden künstlich gewachsenen „schroffheit“, als erste wahl in unserer urlaubsplanung. wir deutsche sind ja traditionell waldverliebt und vielleicht sind wir es deshalb leid, daß das auge immer an grenzen stößt; über bäume kann ich nicht in die ferne sehen, was uns als großstädter (berlin) auch im häusermeer sowieso schmerzlich behindert. in unserem geliebten irland ist genau das gegenteil der fall. egal wohin wir schau´n, der blick kann frei schweifen. wir geben zu, daß es genau das ist, was uns fasziniert.
… und die menschen und das essen und der atlantikwind im westen und auch die bunten schafe und und und …
wir kommen wieder, wie der golfstrom und der regen !
maria + ralph hufnagl
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