Molly Malone Dublin

Die Statue von Molly Malone in Dublins Suffolk Street: Objekt des neuen Kulturkampfs

Leave Molly mAlone: Lasst Molly in Ruhe – genauer: Lasst Eure Finger von Mollys Brüsten. Eine Dubliner Studentin hat den Busengrapschern den Kampf angesagt und fordert, dass Einheimische und Touristen künftig auf einen zweifelhaften Brauch verzichten und den glänzenden Busen der Molly-Malone-Statue in der Suffolk Street in Ruhe lassen. Tilly Cripwell (22) macht regelmäßig Straßenmusik neben der Kunstfigur und weiß deshalb zu gut, wie oft Bronze-Molly Tag für Tag begrapscht wird.

Seit der Enthüllung vor dreieinhalb Jahrzehnten machen sich junge wie erwachsene Dubliner einen Spaß daraus, Mollys polierte Brüste zu betatschen. Das soll nun im Namen der Wokeness ein Ende haben. Tilly will die Objektivierung des Objekts Molly beenden – weil sie in der Statue ein zu schützendes Abbild einer historischen Molly oder einer Frau im allgemeinen sieht, deren Würde es zu schützen gilt.

Die Studentin erhält für ihre Kampagne viel Zustimmung. Denn natürlich können auch symbolische Gesten respektlos sein. Bei Medienumfragen packten Passanten das ganze Spektrum politischer Correctness aus: Die Grapscherei am Bronze-Objekt mache Frauen zum Objekt, sie sei sexistisch, respekt- und würdelos. Eine tägliche kleine Schande. Missbrauch sogar. Sie beschädige das “nationale Denkmal” physisch und symbolisch. Ein Passant schlug vor, einen Zaun um die Bronze-Molly zu ziehen, um sie vor den Fingern der Schande zu schützen.

Tatsächlich greifen Männer wie Frauen gerne bei Molly zu. Im phantasie-begabten Tourismusgewerbe wurde um das Jahr 2014 – dem Jahr, als Molly vor die ehemalige St. Andrews-Kirche, das heutige Tourismusbüro zog – die Geschichte frei erfunden, es bringe Glück, Mollys Busen zu berühren. Vor allem die linke Brust der Straßenhändlerin soll wahre Wunder bewirken können. Kein wirkliches Wunder: Vor dem Tourismusbüro der Stadt beginnen die meisten Stadtführungen. Stadt-Guides verbreiteten die Mär vom Wunderbusen in Windeseile. Bald galt die wenig hinterfragte “Tradition” als fester Bestandteil im Bespaßungsprogramm.


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Die Molly-Statue der Künstlerin Jeanne Rynhart war zum 1000. Gründungsjahr Dublins im Jahr 1988 in der Grafton Street aufgestellt worden. Schon damals erhitzte Molly die Gemüter. Kulturbeflissene sprachen der Fischverkäuferinnen-Darstellung jegliche künstlerische Qualität ab, was dazu führte, dass Jeanne Rynhart einen versprochenen Anschlussauftrag für weitere zwölf Statuen in Dublins Stadtbild nicht bekam.

Andere Zeitgenössinnen ereiferten sich über die Freizügigkeit der Dame, deren pralle Brüste und das provokative Dekolletee. Zur Verteidigung wurde angeführt, dass die Frauen des 17. Jahrhunderts eben nun einmal so zweckmäßig gekleidet waren, um ihren Nachwuchs jederzeit rasch zu stillen. Mollys Brüste wurden zudem in Zusammenhang gebracht mit der vermeintlich historischen Molly Malone: Der Legende nach war sie tagsüber Fischhändlerin in Dublins Straßen und nachts Teilzeitprostituierte in den Gassen. Über allem schwebte auch die Frage: Ist die Kunst der Künstlerin Rynhart vielleicht sexistisch? Die verkitschte Molly hatte jedenfalls schnell ihren Spitznamen weg: The tart with the cart – die Torte mit der Karre.

Das Fest-Komitee für Dublins Stadtjubiläum verbreitete damals die alternativen Fakten, die echte Molly Malone hätte im 17. Jahrhundert in Dublin gelebt und sei am 13. Juni 1699 gestorben. Die Historiker tappen bis heute im Dunkeln. Den Molly Malone Day am 13. Juni jeden Jahres haben sie nicht verhindert – und auch nicht die plumpe Überhöhung der Molly-Statue zum irischen “National-Denkmal.”

Molly Malones Brüste

Blanker Busen erregt Gemüterinnen

Unbestrittener Fakt ist, dass die Statue im Frühjahr 2014 dem Bau der Straßenbahn Luas weichen musste und von der Grafton Street in die Suffolk Street umgezogen wurde. Vor der kurzen Reise vor das Tourismus-Büro der Stadt wurde die leicht beschädigte Molly in Stand gesetzt und erhielt einen neuen Anstrich, um ihr den original-braunen Teint zurück zu geben. Nur die blank polierten Brüste sparten die Restaurateure von den Bushy Park Ironworks aus. Auch das ein sexistischer Akt?

Victor Noir

Das Grab von Victor Noir: ein französisches Fruchtbarkeitssymbol

Während der Kulturkampf um die Brüste der Molly Malone in Dublin mit ungewissem Ausgang gekämpft wird, treten Französinnen im fernen Paris den Beweis an, dass es nicht immer die Männer sind, die das andere Geschlecht (wenn es das heute überhaupt noch gibt) zum Objekt machen. Auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise ruht neben vielen Berühmtheiten der Journalist Victor Noir, der von der Macht-Clique Napoleons III. im Jahr 1870 ermordet wurde.

Die Grabplatte ziert eine lebensgroße Figur des Gemeuchelten im feinen Anzug samt Zylinder. Besuchern fällt neben den glänzenden Stiefelspitzen des Victor Noir die blank polierte Beule in seiner Hose auf. Die Statue des Journalisten, genauer, dessen gut erkennbares Gemächt, gilt weithin als Fruchtbarkeits-Symbol und als Pilgerstätte für Frauen mit Kinderwunsch. Wer sich im Internet ein wenig umschaut, findet von Hemmungen gänzlich befreite Damen, die sich in Reiterstellung oder in anderen eindeutigen Positionen an dem blank geriebenen Fetisch des Victor Noir zu schaffen machen . . .

Fotos: Christopher Baeuchle (Molly Malone); Markus Baeuchle (Victor Noir)