Nur wenn Kunst aus dem Echten kommt, ist das Werk wahrhaftig und nährend.
Selbst die dunkelste Kunst hebt den Geist.
Sie setzt etwas in uns Eingeschlossenes frei, so dass wir leichter atmen können.“

„Die Literatur zeigt uns, wie wir unsere eigene Einzigartigkeit sehen können,
wie wir die weltliche Brille ablegen können, um zu sehen, dass wir, egal wie klein wir sind,
wichtig sind.

Greg Delanty 

Lyrik am Sonntag auf Irlandnews: Heute möchte ich einen der renommiertesten und bedeutendsten Gegenwartslyriker vorstellen: Greg Delanty

Geboren wurde er 1958 als Sohn eines Druckers in der Stadt Cork. In seiner Jugend war er Sportschwimmer und verbrachte viele Sommer als Rettungsschwimmer an den gefährlichen Atlantikstränden von West Kerry. Früh begeisterte er sich für Lyrik und veröffentlichte erste Gedichte in The Cork Examiner.

Am University College in Cork – damals ein Zentrum für Lyrikbegeisterte – machte er seinen Abschluss in Englisch und Literatur. 1983 erhielt Delanty den renommierten Patrick Kavanagh Poetry Award, der an einen bis dato noch unverlegten irischen Dichter vergeben wird. Für seinen ersten Lyrikband Cast in the fire erhielt er das prestigeträchtige Dowling-Stipendium. Der mit 20.000 Dollar dotierte Preis war mit der Möglichkeit verbunden, in den USA zu leben und zu arbeiten.

Seit 1987 ist Delanty mit dem Saint Michael’s  College in Vermont verbunden, zunächst lehrte er als Professor für Englisch und danach als freischaffender Lyriker in der Position als Poet-in-Residence. 1994 wurde er amerikanischer Staatsbürger, behielt aber seine irische Staatsbürgerschaft bei. Delanty unterhält enge Kontakte zur irischen Szene, verbringt seine Sommermonate in seinem Haus in Derrynane (Kerry)  und pflegt Freundschaften, eine lange auch zu dem 2013 verstorbenen Seamus Heaney (Nobelpreis für Literatur). Greg Delanty ist in seiner Heimat Irland noch immer verwurzelt.

Der weltbekannte irisch-amerikanische Autor Colum McCann bezeichnete Delanty einmal als den Dichterpreisträger der zeitgenössischen Iren in Amerika:

“Delanty hat eine ganze Generation und ihre Beziehung zum Exil systematisch geordnet. Er ist der „Poet Laureatus“, der Dichterpreisträger derer, die gegangen sind.”

 


 

Alle Gedichte der Irlandnews-Serie Lyrik am Sonntag können Sie hier aufrufen: Lyrik am Sonntag

 


 

Seit vielen Jahren versteht sich Greg Delanty auch als Aktivist gegen Umweltvernichtung und die Klimakatastrophe. Für ihn ist seine Schreibkunst Ausdrucks- und Wirkmöglichkeit, um der Bedrohung der Schöpfung entgegen zu wirken. So schreibt er:

Ein Leben, das der Poesie gewidmet ist, wäre leer, wenn es nicht nach der Wahrheit seiner Überzeugungen handeln würde. Für mich ist die Zeit, in der ich im Elfenbeinturm der Akademien und Künste, den Orten des Wissens und der Privilegien, verweilen konnte, längst vorbei. Seit über dreißig Jahren bin ich das, was man einen „Aktivisten” nennt; ich nehme wöchentlich an Mahnwachen und Demonstrationen teil und beteilige mich an zivilem Ungehorsam. Kunst und Leben sind nicht getrennt. Ich betrachte sie eher als ein Palindrom (Wortreihen oder Sätze, die vor- und rückwärts gelesen werden können). Das ist meine Art, lebendig zu sein.“ (Vorwort zu „So little Time“ 2014)

 

Greg Delanty hat mehrere Gedichtbände veröffentlicht. Seine Gedichte erschienen in zahlreichen Anthologien weltweit. Meines Wissens ist er bisher aber noch nicht in deutscher Sprache publiziert.Er hat viele Auszeichnungen erhalten, auch den Guggenheim-Fellowships-Award in 2007. Die National Library of Ireland hat kürzlich Greg Delantys Nachlass bis Ende 2012 erworben.

 

 

Vier Fragen an Greg Delanty 

 

… die er in seiner Antwortmail kurz und knapp beantwortet. Er schreibt: „Hier ist sehr viel los: eigentlich mehr als viel.“

 

  1. Wie sind Sie dazu gekommen, Gedichte zu schreiben?

Ich fing an, Gedichte zu schreiben, als ich 16 oder 17 war… Ich weiß wirklich nicht, warum…. es war einfach etwas, das ich tun musste und ich verstand nicht wirklich, was es überhaupt war.

 

  1. Welches sind Ihre Lieblingsgedichte?

Seitdem lese ich jeden Tag Gedichte…. seit über 40 Jahren….  ich habe viele Lieblingsdichter und Gedichte…. zu viele, um sie aufzuzählen.

 

  1. Welche Rolle spielt die Poesie in der irischen Kultur heute?

Ich lebe seit 1986 in Vermont, USA….

 

  1. Wenn Sie zaubern könnten….. Was wünschen Sie sich für sich selbst oder für uns alle?

Dass wir durch die Haut der Unterschiede bei Menschen, Tieren und Planeten sehen könnten und erkennen, dass wir mehr gleich als verschieden sind…. nicht nur wir Menschen, sondern auch Gleichheiten erkennen mit anderen Wesen auf dem Planeten. Dann fangen wir an, unsere Umwelt und uns selbst auf eine Art und Weise zu behandeln, die unsere Welt zu einem Ort macht, an dem wir alle leben können.

Vielen Dank an Greg Delanty für die Erlaubnis, seinen Text zu übertragen und ihn hier zu veröffentlichen.

 

 

One more time / Noch ein Mal

Greg Delanty

geboren 1958 in Cork

(Foto: munsterlit.ie)

 

One more time

One more time

call the Earth female, as of old.
She needs to be placed pronto
in the recovery position, gently hold

her chin up, bend the left arm at the elbow,
hand above the head, palm facing down
– waving goodbye or hello?

Set the right arm straight and in line
with her side. Quickly tuck the left foot
up against the right knee. Watch for a sign

of breathing. Don’t forget to clear out
the mouth, airways. She may need the kiss
of life. She’ll recover for sure. Only without

us maybe. Who then will tell her we miss
her? Who then will tell her how dear she is?

 

 

Das Gedicht ist Gregs jüngstem Gedichtband No More Time (2020) entnommen. Am 20. Februar 2021 wurde es als Gedicht der Woche in der Irish Times gedruckt.

In den Gedichten seines letzten Lyrikbandes betont Delanty die tiefen Verbindungen innerhalb und zwischen der natürlichen Welt und der Menschheit. Die Gedichte legen Zeugnis ab vom schon eingesetzten Klimawandel und der Misshandlung der Schöpfung durch uns Menschen. In Anlehnung an Dantes Inferno meditiert er in einem 26 Sonette umfassenden Gedichtszyklus A Field Guide to People über je eine Spezies aus Flora oder Fauna, die bedroht oder bereits ausgestorben ist. In der Mitte dieser Sonettfolge gibt es einen Einschub unter dem Titel Breaking News, in dem der politische Zustand unseres Planeten in einer Melange aus Pathos, Witz und einem winzigen Körnchen Hoffnung poetisch beschrieben wird. Aus diesen Breaking News stammt unser heutiges Gedicht.

Ich gestehe, ich kenne kein vergleichbares Gedicht, das zunächst in einer Alltagssprache daher kommt – hier fast wie ein Text aus einem Lehrbuch für Erste Hilfe – und dann übergeführt wird in Poesie. Gerade aus dieser ungewöhnlichen Gestaltung heraus, erreicht es seine starke Wirkung. Zudem ist das Bild, das Delanty für die Erste Hilfe-Maßnahme zur Rettung der Welt einsetzt, die Überführung der geschundenen Erde in die stabile Seitenlage, bedrückend.

Noch ein winziges Detail: Im Englischen heißt Mund-zu-Mund-Beatmung „Kiss of Life“. Wunderbar. Aber das ließ sich so nicht übertragen. Somit musste es bei dem „schwachen“ Begriff „Atemspende“ bleiben.

Anekdotische Anmerkung Nach meiner Erstübersetzung, die ich Greg Delanty schickte, erkundigte sich dieser, wie ich wohl die Reime einarbeiten wolle?. . . Reime? … Tatsächlich! Die Lektüre und die Antizipation des Gedichtes als Text in der Form einer Vorgangsbeschreibung (da kommt eben der alte Sonderschullehrer durch . . .) führte dazu, dass ich die geschickt eingearbeitete Reimstruktur ganz „überlas“.
Also, neuer Versuch, Nachdichtung. Diesmal war Greg zufrieden.

 

Danke an Karin Mangold-Schneider für die Unterstützung bei der Übersetzung

 

Nachdichtung: Werner Bartholme

Foto: wikipedia.org/wiki/Erde

 

Quellen: 

Mailkorrespondenz mit Greg Delanty
Facebook Greg Delanty
Wikipedia (englisch)
Poem of the week – Irish Times
Über Greg Delanty
Buchbesprechung „One more Time