Glengarriff, Irland, im Oktober 2019.

 

Wir von Wanderlust Irland (und diesem Webmagazin Irlandnews) haben Fragen an uns selbst. Können wir einen Wanderreise-Veranstalter betreiben, und sei er auch noch so klein, und uns gleichzeitig von der Verantwortung frei sprechen, zur ökologischen Zerstörung der Erde selber aktiv beizutragen? Schützen wir mit oder trotz unserer Arbeit die Umwelt genug? Oder sind wir ein Teil der zerstörerischen Wachstumsmaschine, die diese Welt für unsere Kinder und Enkel unbewohnbar machen wird? Um wieviel ist unser ökologischer Fußabdruck zu groß?

Im Juli 2018 habe ich erstmals formuliert, wie wir unsere eigene ökologische Verantwortung in Zeiten der Klimakrise und der großen Massenausrottung von Tieren und Pflanzen sehen und wir wir versuchen, ihr gerecht zu werden. Im Oktober 2019 haben wir die Natur- und Umwelt-Ethik fortgeschrieben, aktualisiert und ergänzt. Wir beschreiben konkret, was wir tun und was wir tun werden, um unseren ökologischen Fußabdruck zu reduzieren.

Dies soll keine Selbstbeweihräucherung sein und keine moralische Selbsterhöhung. Es geht einzig darum, dass wir uns bemühen, den Weg in eine lebenswerte Zukunft auf diesem Planeten zu finden, dies zu dokumentieren und offen zur Diskussion zu stellen. Den gesamten Bericht 2018/19 findet Ihr hier auf der Wanderlust-Website.

 

Hier nun ein Auszug aus der Aktualisierung 2019:

“Im Jahr 2019 ist die Klimakrise – bedauerlicherweise aber nicht die Krise der Natur – global zum Top-Thema befördert worden. Es sieht so aus, als würde die Klima-(Nicht-)Politik zum großen polarisierenden Zankapfel zwischen den Generationen und zwischen gesellschaftlichen Gruppen. Am Klimapaketchen der deutschen Regierung kann man den eklatanten Unterschied zwischen Reden und Handeln studieren. Es gibt mal wieder viel Plan und wenig Tat. Der Einsatz der irischen Regierung zur Begrenzung der Erderhitzung und zum Naturschutz: noch überschaubarer.

 

Drei Fragen stehen im Mittelpunkt der Klima-Debatte:

:: Muss der Einzelne durch freiwilligen Einsatz und Verzicht das Klima retten oder schafft das nur die Politik? Was kann, soll und muss ich selber leisten?

:: Falls die Politik es richten muss, führt ein liberales Wunschkonzert zum Ziel, das immer die Wohlhabenden bevorzugt, oder müssen die Verbotsparteien ran mit Einschränkungen, Richtlinien und Gesetzen, die für alle gleichsam gelten?

:: Und schließlich wird gefragt: Können wir die Welt retten, ohne uns einzuschränken? Zudem: Falls ja: Wer muss sich einschränken? Dahinter verbirgt sich die Gerechtigkeits-Frage.

 

Es macht Mut, dass diese zentralen Überlebensfragen nicht länger ein Lieblingsthema für kleine Randgruppen sind und dass sie nun endlich  breit diskutiert werden. Es ist großartig, dass nun viele Menschen sich nicht nur für das Thema Natur interessieren, sondern auch aktive Beiträge leisten zur Bewältigung dieser größten Krise, in die wir Menschen uns und die Natur befördert haben. Unsere Haltung zu den zentralen Fragen ist diese:

 

:: Muss der Einzelne durch freiwilligen Einsatz und Verzicht das Klima retten oder schafft das nur die Politik? Die ist eine völlig künstliche Fragestellung. Beides muss. Das private, das wissen wir lange, ist immer auch politisch, und wer seine Überzeugungen mit seinem Handeln in Einklang bringt, lebt gesünder, sorgenfreier und im Einklang mit sich. Aus Überzeugung das Richtige zu tun (anstatt nur zu Lamentieren, dass die anderen mal ran sollen) ist zudem die beste Legitimation, politische Forderungen zu stellen und politisch über das Privatleben hinaus aktiv zu werden. Am Ende werden Klima- und Naturschutzziele allerdings nur erreicht werden, wenn die Regierungen einen verbindlichen gesetzlichen Rahmen für alle Menschen, alle Institutionen und vor allem für alle Unternehmen schaffen und dessen Einhaltung einfordern. Wir alle kennen die großen Klimasünder-Firmen dieses Planeten. Nur 20 Unternehmen weltweit sind für über ein Drittel aller CO2-Emissionen verantwortlich. Bis heute gehen sie dem so schmutzigen wie einträglichen Geschäft ungehindert nach. Derzeit sieht es so aus: Die Menschen tragen ihre Regierungen zum Jagen. Tun wir es, bleiben wir beharrlich. Und nehmen wir all die schmutzigen Unternehmen als Konsumenten in die Pflicht, die völlig unwillig sind, sich zu verändern und uns statt dessen mit Greenwashing etwas vorgaukeln: Shell, BP, Exxon, Gazprom, . . . .

 

:: Müssen Verbote her? Wenn wir akzeptieren, dass unsere Freiheit dort aufhört, wo die Freiheit der anderen beginnt, dann haben wir mit vernünftig begründeten und demokratisch beschlossenen Verboten keine Probleme. Was spricht dagegen, Kurzstreckenflüge, Wegwerfplastik,  Autos und Jachten ab einer bestimmten Größe oder die weitere Flächenvernichtung zu verbieten sowie die großen Problemunternehmen dieser Welt streng zu regulieren, damit wir alle besser und gesünder leben können? Nach meiner Meinung nichts. Es wird ohne diese nationalen, supranationalen und hoffentlich bald globalen Verbote nicht gehen. Es sieht so aus, dass viele Menschen heute bereit sind, allgemein gültige Ge- und Verbote zur Rettung von Natur und Klima ergebnisorientiert zu akzeptieren, denn der Freiwillige ist immer schnell auch der Dumme.

 

:: Können wir die Welt retten, ohne uns einzuschränken? Das kann wohl nur die Lindner-FDP und auch nur in der Theorie. Die Ressourcen der Erde sind endlich, wir plündern diese Ressourcen gerade, als gäbe es kein Morgen. Damit ist die Frage eindeutig beantwortet. Mäßigung ist zudem eine völlig positive und lebensbejahende Aktivität: Warum soll es so schwer sein, weniger zu konsumieren und damit jede Menge Druck aus dem eigenen Leben zu nehmen: Geld, das wir nicht ausgeben, müssen wir nicht verdienen. Wenig beachtet wird im Moment, dass viele Menschen in den Massenkonsum-Gesellschaften längst an ihren psychischen Grenzen leben. Wir werden von unseren Besitztümern besessen. Wir müssen im eigenen Interesse zurückfinden zu Maß und Mäßigung. Wir können herausfinden aus der tödlichen Wachstumsspirale, um uns selber zu schützen, und es lohnt sich: Aus Mäßigung und Selbstbeschränkung wachsen Lebensqualität und Wohlbefinden. (Diese Feststellung gilt vor allem für die privilegierte Schicht der umweltbewussten Umweltsünder, zu der wir uns zählen müssen). Das Wachstum muss und wird ein Ende haben.

 

Deshalb sind wir überzeugt:

 

:: Es ist Zeit zum Handeln. Gejammert, geklagt und diskutiert haben wir lange genug. Es ist endlich Zeit zum Handeln. Das haben viele Menschen begriffen und ändern dafür ihr Leben. Sie treiben die Politik, die immer noch Kommissionen gründet, um ihre Mutlosigkeit und Blutarmut zu kaschieren, längst vor sich her.

 

:: Es gibt keinen Klimaschutz ohne Naturschutz. Die ökologische Krise ist so vielfältig wie dramatisch und spitzt sich mit großer Geschwindigkeit zu. Die Vernichtung nicht-menschlichen Lebens durch Nutztier- und Agrar-Wirtschaft verursacht eine Massenausrottung der Tier- und Pflanzenarten. Die Meere sterben durch Plünderung, Sauerstoffarmut und Vermüllung. Der Klimawandel und die globale Erwärmung bedrohen alles Leben auf der Erde – dazu kommen das anhaltende Bevölkerungswachstum, Luftverschmutzung, Bodenverlust, Wasserknappheit, Wasserverunreinigung durch endokrine Disruptoren und das globale Plastikmüll-Desaster. Wir müssen die Natur retten und das Klima dazu. Im Moment erleben wir, wie der Naturschutz von Politikern weltweit bereitwillig geopfert wird, um beim Klimaschutz vordergründig eine gute Figur abzugeben. Die fortschreitende Zerstörung der Natur ist allerdings das viel größere, übergeordnete Problem, viel gravierender als die Erderhitzung alleine.

 

:: Die Systemfrage muss gestellt und beantwortet werden. Unsere Wirtschaftsform, der Kapitalismus, zumal in der aktuellen Spielart des neoliberalen Anything goes, suggeriert grenzenloses Wachstum in einer begrenzten Welt. Es wird keine rettenden Lösungen geben, ohne dass wir unser Wirtschaften ändern, unseren Lebensstil und unsere Weise zu arbeiten. Warum können wir in den Überflußgesellschaften der wohlhabenden Länder nicht auf einen Teil des Wohlstands verzichten und dennoch oder gerade deshalb ein erfülltes Leben führen? Wir können. Je früher wir damit anfangen, um so größer sind unsere Chancen auf Erfolg (und Überleben).

 

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Wanderlust konkret: Das tun wir 2019 und 2020

 

Fangen wir bei uns selber an: Welchen Beitrag haben wir geleistet, und was wollen wir künftig tun, um den ökologischen Fußabdruck von Wanderlust zu verkleinern?

 

:: Verkleinerung des Programms: Wir mögen kleine, flexible Unternehmen, die sich dem Primat des Wachstums entziehen. Wir wollen ein solches Unternehmen sein. Wir wollen so klein wie möglich sein, wollen bei der Arbeit Spaß haben, darin Sinn finden und uns davon ernähren. Wir passen das Programm, also auch Umsatz und Gewinn, diesen Bedürfnissen an und achten darauf, dass wir keine zusätzlichen ökologischen Schäden anrichten, nur weil wir mehr Gewinn machen wollen. Vor diesem Hintergrund haben wir das Ferien-Programm seit dem Jahr 2017 verkleinert. In drei Schritten halbieren wir die Zahl unserer angebotenen Irland-Ferienwochen bis zur Saison 2020.

 

:: Kleinere Gruppen, kürzere Wege, weniger Abfall: Unsere neuen Ferienangebote Magisches Irland. Unterwegs in den Seelenlandschaften von West Cork und Ursprüngliches Irland. Wandern wie damals finden an einem neuen Ort auf einer kleinen Bio-Farm in West Cork statt und sind auf acht bis zehn TeilnehmerInnen begrenzt. Kürzere Wege, weniger Teilnehmer, mehr regionales, vegetarisches und Bio-Essen, weniger Energieverbrauch, sowie mit Abstand weniger Abfall sollen unsere Ferien-Angebote auf eine neue Qualitätsstufe hinsichtlich Nachhaltigkeit und ökologischem Fußabdruck heben.

 

:: Wir empfehlen den Land- und Seeweg: Die Anreise nach Irland kann, muss aber nicht mit dem Flugzeug erfolgen. Ich habe die Reise zwischen Deutschland (der Schweiz) und West Cork, Irland, selber mit Zug, Fähre und Bus gemacht und den jeweiligen CO2-Verbrauch berechnet. Fazit: Für eine Flugreise kann man mit derselben Klimabelastung fünf bis sechs Reisen auf dem Land- und Seeweg machen. Über diese sehr schöne Land- und Seereise berichte ich hier. Wenn man die Übernachtung auf der Fähre nicht berücksichtigt, benötigt man für diese Reise pro Strecke lediglich einen halben Tag länger als mit dem Flugzeug. Ein oder zwei zusätzliche Ferientage dann und wann könnten frau und man dem Klima und der Natur eigentlich gönnen, meinen wir. Wir haben für alle Landreisenden einen Beitrag mit Reise-Beispielen zusammen gestellt, der im Downloadbereich unserer Website abrufbar ist ( KLICK ). Für alle Gäste, die sich mit der Reiseplanung selber nicht zu intensiv beschäftigen wollen, kooperieren wir künftig mit einem auf  Zug-, Fähr- und Busreisen spezialisierten Reisebüro, das gerne die besten und günstigsten Verbindungen plant und bucht.

 

:: Ein eigenes Klima-Projekt statt anonymem Ablasshandel: Das Flugzeug zu nehmen, an die Atmosfairs der Welt ein paar Euro abzudrücken und sich dadurch besser fühlen, gehört heute für Vielreisende zum Standard-Repertoire. Nicht beantwortet wird bei diesen anonymen Transaktionen die so oft vernachlässigte Frage: „Was hat das mit mir zu tun?“ Was mit dem eigenen Reiseverhalten und was mit dem eigenen Leben? Irland ist neben Malta noch immer das baumärmste Land in Europa.  Die immer wieder zu unrecht gelobten Zuwächse an Wald in den vergangenen 15 Jahren gehen vor allem auf das Konto ökologischer Todeszonen aus schnell wachsenden Sitka-Fichten. Wir bereiten deshalb die Unterstützung eines lokalen Baumpflanz-Projekts in West Cork vor, in dessen Rahmen natur-kundige Idealisten heimische Mischwälder der Zukunft kultivieren. 45.000 Bäume wurden in diesem Projekt schon gepflanzt. Wälder sind CO2-Schlucker, die wir dringend benötigen. Wir werden unseren Gästen ab dem kommenden Jahr Gelegenheit geben, das Projekt vor Ort kennen zu lernen und das Wachstum von neuem wertvollem Wald in Irlands Südwesten freiwillig zu unterstützen.

 

:: Eine Arche für Pflanzen und Tiere: Wir haben uns der Naturschutz-Bewegung We are the Ark angeschlossen und unser Land am irischen Atlantik als Arche ausgewiesen. Die Idee: Wir Menschen können uns zurück nehmen und versuchen, nur die Hälfte dieses Planeten für uns zu beanspruchen und die andere Hälfte an die Wildnis, die Pflanzen und Tiere zurück zu geben. Wir können den Flächenfraß beenden. Wir können wieder Verantwortung übernehmen für den Ort, an dem wir leben und arbeiten. Für die letzten Wiesen zwischen den Dörfern. Für den Wald. Für den Park um die Ecke. Für kleine grüne Oasen in der urbanen Nachbarschaft. Für den naturnahen Balkon. Und wer das Privileg hat: Für den eigenen Garten. Wir können uns dem Flächenfraß in den Weg stellen und ihn stoppen. Wir können den Garten oder Teile davon wieder zu einem wilden naturnahen Ort machen, jenseits von Steinwüsten und Zierrasen. Wir können die kleinen Natur-Oasen vernetzen. Wir können sie hüten und verteidigen und daraus einen natürlichen Flickenteppich “weben”, der sich dem Verwertungs-Imperativ Wachstum zerstört Natur widersetzt. Die irische Gärtnerin, Garten-Gestalterin und Autorin Mary Reynolds hat zur Verwirklichung dieser Idee das Projekt We are The Ark (“Wir sind die Arche”) gegründet. Fast jeder Mensch hat die Möglichkeit, ein kleines Stück Natur zu schützen. Schaffen wir tausende Archen für die Natur.  Mehr dazu: ( KLICK ).

 

:: Nicht zuletzt spenden wir regelmäßig für Naturschutzprojekte. Wir unterstützten zum Beispiel den Irish Wildlife Trust, Rewilding Europe und Sea Shepard.

 

26. Oktober 2019
Markus Bäuchle
Wanderlust und Irlandnews

Den gesamten Bericht findet ihr hier auf der Wanderlust-Website.
Unser Wander-Umwelt-Kodex kann sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache heruntergeladen werden.

 

We are the Ark