Es ist das Ende einer großen Liebe: In den letzten Monaten habe ich viele Zuschriften erhalten und Kommentare gelesen, die auf das Ende einer Ära hindeuten. Menschen, die jahrzehntelang treu und begeistert ihr Lieblingsland Irland besuchten, hundertprozentige Irland-Fans und unbeirrbare Grüne-Insel-Enthusiasten, ziehen einen Schlussstrich. Sie wollen dem einstigen Sehnsuchtsland den Rücken kehren. Eine Langzeit-Besucherin der Insel schrieb zu meinem Beitrag über das Sterben der B&Bs, über fehlende Hotelkapazitäten und den Boom der Campervans: „Ein trauriger Niedergang. Ich könnte schreiben, schreiben, schreiben. Ich lass es lieber. Grüße nach Irland, das für mich in weite Ferne gerückt ist.“
Eine Irland-erfahrene Kollegin schrieb mir: „. . . hatte ich das Gefühl, mich langsam von Irland zu verabschieden. Ich weiß immer noch zwei, drei Orte, wo Gastfreundschaft sich auch in Zukunft nicht durch Professionalisierung kastrieren lassen wird, aber genügt das, um die grundsätzliche Gier zu ertragen, die Irlands Tourismus befallen hat wie Salmonellen das Ei? . . .“, und: „Hättest du dir vorstellen können, dass Rechtsextremismus in Irland so stark werden könnte, dass ukrainische Kinder sich in einigen Gegenden Dublins nicht mehr auf die Straße trauen, weil sie permanent drangsaliert werden? Da kann ich auch gleich in Ostdeutschland bleiben, wo meine Monatsmiete immer noch dreifach niedriger ist als die Wochenpreise, die zurzeit für kleine Feriencottages in Cork und Kerry verlangt werden.“
Ich lebe nun seit 23 Jahren in Irland und habe die ebenso rasanten wie gravierenden Veränderungen in der Wahlheimat hautnah erlebt. Ich verstehe, was die Menschen meinen, die das Land regelmäßig besucht haben, um etwas zu finden, was sie zuhause vermissten – und was sie nun auch in Irland nicht mehr finden können. Irland, das für unsere Generation lange deutlich anders war als unsere Heimatländer, ist für Besucher aus Deutschland, aus Österreich oder der Schweiz ein ziemlich normales, ja ein gewöhnliches Land geworden – manche meinen, ein sozial kaltes, profitgieriges, ja ein rücksichtsloses und naturzerstörerisches Land dazu. Im gnadenlosen Wettkampf um Wachstum und Wohlstand hat auch Irland seine Seele verloren. Die irische Willkommenskultur verkam zur Masche. Urlauber fühlen sich angesichts der immensen Kosten für einen Aufenthalt auf der Insel schnell abgezockt. Das Preis-Leistungsverhältnis ist aus den Fugen geraten.
Als Bürger des Landes frage ich mich auch im Jahr 2023: Wie konnte all der Wohlstand geradezu spurlos an den Krankenhäusern und am Gesundheitssystem vorbeigehen? Warum erlaubt sich dieses reiche Land, einer großen Minderheit bezahlbare Wohnungen vorzuenthalten? Warum gibt es Ausländerfeindlichkeit in einem Land, dessen Menschen seit Generationen darauf angewiesen waren, in der Fremde wohlwollend aufgenommen zu werden? Warum gibt es keine kollektive Sehnsucht, die natürlichen Schätze dieses wunderschönen Landes zu schützen und für Kinder und Enkelkinder zu erhalten?
Der Generation eines Heinrich Böll durchaus ähnlich war unsere Generation einst aufgebrochen, um auf dieser kleinen Insel im Atlantik das Andere, das Bessere, zu finden: das gerechtere Land, die intaktere Natur, die freundlicheren Menschen und eine friedlichere und buntere Kultur. Irland hatte viel von alledem – und gleichzeitig geriet das Land bald in den Sog eines atemraubenden Wandels und epochaler Veränderungen. Das einst rückständige Land holte nach – und es holte schnell auf, wie im Zeitraffer. Der Keltische Tiger brachte Wohlstand, Freiheit – und Zerstörung. Nach der Zwangspause der Finanzkrise ging es im neoliberalen Takt munter weiter. Mittlerweile wird der Fortschritt grün angemalt. Riesige Kuhherden sollen im Namen der Klimarettung gekeult werden, stromfressende Rechenzentren dürfen sich ungehemmt vermehren. Es gibt kein Halten und viele leere Worte.
Aus einem armen Land wurde eine wohlhabendes Land,
in dem viele Menschen nicht Schritt halten können.
Aus einem unfreien wurde ein freies Land, mit freien Menschen,
frei auch von Wurzeln, Gewissheiten, Werten und Traditionen.Aus tiefgläubigen Menschen wurden Konsumenten,
die die Shopping Mall zu ihrer neuen Kirche machten.
Aus Landgängern wurden Fahrer schicker Limousinen und SUVs.
Aus dünnen wurden dicke Menschen – die gewichtigsten in Europa.
Aus einem Volk von Farmern und Fischern wurde eine gespaltene Gesellschaft
mit Tech-Business-Gewinnern und steckengebliebenen Verlierern.Aus stillen Sträßchen wurden Autobahnen.
Aus saftigen Wiesen Gewerbegebiete.
Aus Städtchen und Dörfern Ballungsgebiete und Schlafsiedlungen.
Aus landverbundenen Bauern wurden Großfarmer und verarmende Kleinfarmer.Eine einst fast klassenlose Gesellschaft ächzt heute unter krasser Ungleichheit.
Aus Solidarität und Gemeinschaftssinn wurden Ellbogenmentalität und Gier.
Aus freundlichen Erzählern wurden allzu oft Zyniker.
Aus manchen Mitmenschen Streithansel im Kampf um Schadensersatz.
Aus nachsichtig-laxer Verwaltung wurde eine digitale Kontrollbürokratie.
Aus einer warmen wurde eine kalte Kultur.
Aus der Kulturlandschaft Kapital.
Die alte Gastfreundschaft verkam zur Geschäftsmasche.
Aus dem Fremdenverkehr wurde Massentourismus.
Aus der Willkommenskultur eine Unkultur des Nehmens.Aus Fans werden Ernüchterte, die sich abwenden und weg bleiben.
Ich bleibe hier. Auch nach 23 Jahren lebe ich gerne hier im äußersten irischen Südwesten. Dem Vergleich mit andernorts hält diese direkte Umgebung noch immer stand. Ich werde wohl noch lange hier sein – weil ich das Glück genieße, in einer Natur-Nische am Atlantik zu leben, die vom sogenannten Fort-Schritt und der Zerstörung der Natur noch einigermaßen unangetastet blieb. Solche Refugien gibt es auch in anderen Ländern – noch. Sie ermöglichen den Rückzug in den eigenen Mikrokosmos und die Fokussierung auf das, was man liebt – nicht mehr und nicht weniger: Uns bleibt, schützende Verantwortung für diese Orte und seine Bewohner zu übernehmen, für Pflanzen, Tiere und Menschen.
Enklaven, Nischen und Reservate des Schönen
Ja klar, es gibt sie immer noch: Die Menschen, die uns faszinieren, weil sie sich der allgemeinen Entwicklung widersetzen, die Landschaften, mit denen wir eins werden, weil sie bislang von der Verwertung verschont geblieben sind. Trend, Mentalität und politischer Wille weisen jedoch in die andere Richtung. In den letzten paar Jahren fiel es mir deshalb schwerer, wie früher begeistert, empathisch und positiv über Irland zu schreiben. Mein Blick richtete sich zunehmend auf Enklaven und Nischen, auf Reservate des Schönen und Anmutigen, auf isolierte Berg-Regionen oder einzelne Natur-Archen, in denen Menschen versuchen, dem nicht-menschlichen Leben auf diesem Planeten Existenz und Raum zu überlassen. Um mich herum sehe ich nun genau dieselbe Zerstörung, die uns vor mehr als zwei Jahrzehnten zum Umzug aus Deutschland bewogen hatte. Notwendige Fahrten in die Ballungszentren Dublin oder Cork geraten mir leicht zur Last.
Alles ganz normal, ich weiß. Als ich vor 25 Jahren schwärmte, in Irland sei alles ganz anders, erwiderte mein scharfsinniger Freund vom Belchen: „Alles nur ein Mangel an Gelegenheit“. 25 Jahre später tanzt der Neoliberalismus auch in Irland den Totentanz. Es potenzieren sich die Gelegenheiten, aus Natur Kapital zu schlagen. Die gefräßigen Rechenzentren der Tech-Konzerne verbrauchen so viel Strom wie die gesamte Bevölkerung zusammen. Der ständig steigende Landverbrauch wird akzeptiert als Zeichen des Fortschritts. Das Meer wird systematisch geplündert, Tiere und Pflanzen verschwinden auf Nimmerwiedersehen; die Arten sterben weitgehend unbemerkt aus. Es braucht nun nur einen Tag und ein paar gewaltige Maschinen, um einen ganzen Berg zu zerstören. Vom kollektiven Wunsch oder gar Willen, die Zerstörung zu beenden: keine Spur.
Um den touristischen Erfolg Irlands muss dabei niemand fürchten: Längst kommen jede Menge andere Menschen ins Land, die anders reisen, die anderes suchen und auch anderes finden. All diese Veränderungen haben jedenfalls – Hand in Hand mit der erstarkenden Künstlichen Intelligenz – Auswirkungen auf mein Langzeitprojekt, auf dieses Webmagazin, Irlandnews, das im kommenden Herbst 15 Jahre bestehen wird. Sollte Irlandnews jemals ein Kernpublikum gehabt haben, das beschriebene, vermutete, dann ist dieses dabei, sich rar zu machen. Die LeserInnen, die lieben, was ich liebe, gibt es zwar immer noch – doch das Geliebte verschwindet – Tag für Tag, Jahr für Jahr ein Stück mehr.
Gleichzeitig werden sich meine Themen und meine Art des Schreibens ebenfalls verändern. Goodbye Irland, Du Schöne. Wir sehen uns, Du Gewöhnliche.
Fotos: Szene aus dem Film Dancing at Lughnasa (Filmwerbung, oben); Antje Wendel; Markus Bäuchle
Ja, es ändert sich alles …… und es wäre schlimm – auch für die Insel – wenn sich gar nichts ändern würde. Das Herz Irlands, die Magie, die Essenz ……. die alte Liebe …… ist noch da, die geht nicht so schnell kaputt. Ich spüre sie jedes Mal, wenn ich auf der Insel bin. Die Jugend, die nächste Generation ist schlau, innovativ, nach vorne blickend und auch sehr umsichtig und achtsam – überall – auch in Irland, ihnen gehört die Zukunft.
„the times change, and we change with them“
Grüsse auf die Insel!
Gine, Berlin
Vielen Dank für die vielen interessanten Diskussions-Beiträge und Sichtweisen.
Eine abschließende Bemerkung von mir: Ich habe in den vergangenen Jahren zahlreiche Beiträge über die schwere und schwierige Vergangenheit Irlands geschrieben. Ich neige nicht zur Verklärung der irischen Vergangenheit.
Ich bedaure allerdings, dass die Entscheider in Irland vor Jahrzehnten (und bis heute unvermindert) die Weichen für die Zukunft sehr einseitig in Richtung einer schonungslosen und einseitigen Aufholjagd gestellt haben. Andere Gesellschaften, die ebenfalls spät in den kapitalistischen Wachstums- und Wohlstandszyklus eingetreten sind, zum Beispiel Costa Rica oder Bhutan, haben von den negativen Erfahrungen anderer Länder besser gelernt und andere Konsequenzen gezogen. Sie schützen die natürliche Welt konsequent, weil sie deren Wert für das Leben von Menschen, Tieren und Pflanzen erkannt haben und ernst nehmen.
Das Argument, dass die Irinnen und Iren nach 800 Jahren der englisch-britischen Unterdrückung nicht weiter bevormundet werden wollen, höre ich in diesem Zusammenhang seit Jahrzehnten und es irritiert mich bis heute: Wer eine Meinung vertritt und respektvoll diskutiert, hat das gute Recht, das zu tun und gehört zu werden – auch als Deutscher, Holländer oder Schweizer in Irland – wie es umgekehrt für Iren und Irinnen in Deutschland gilt. Das Argument der Bevormundung oder gar der Fremdbestimmung wird übrigens in aller Regel von Nicht-IrInnen vorgetragen. In meinem irischen Alltag gibt es dieses Problem nicht.
Wir sind auf dem Weg in ein demokratisches Europa der Menschen.
Entlegene Bergregionen… wer kann mir sagen, wo es das noch gibt und WO ich für sehr kleines Geld 100-200 Hektar ( ! ) Land kaufen kann um einen Irischen Urwald nach allen Regeln der Kunst anzulegen ?
( Ich plane mit dem Projekt Hometree zusammen zu arbeiten )
UND an welche Stelle der Regierung ich mich wenden muss, um Konditionen auszuhandeln, daß ich mit meinem kleinen Verein nicht wie ein Unternehmen besteuert werde, damit ich das Geld auch direkt ins Projekt investieren kann???
Natürlich können alle echten Irlandliebhaber dort dann günstig „Urlaub“ machen, d.h. es gibt einen wirklich günstigen Platz in einer Jurte und mindestens 2 Stunden Arbeit am Tag, nämlich BÄUME PFLANZEN ! …und wenn euch die Abwesenheit von versiegelten Flächen für Wohnmobile und anderer Luxus freut, dann werdet ihr bei mir richtig sein.
LG Anja
Ich habe mir eure Kommentare und deinen Artikel noch einmal durch den Kopf gehen lassen. War allerdings mehr das Herz dabei: Trauer. Möchte ich nicht …
Ich gehöre vielleicht bald zu den wenigen, die sich dennoch frohgemut in Irland niederlassen wollen, zumindest in unserem Alter. Ich bin 64 und war in meinen 20ern/30ern auf jeder Umwelt- oder Antikriegsdemo. Man fand mich gegen die Diktatur in Chile und Griechenland auf der Strasse marschierend, für Homosexualität, da kannte man das Wort nur als das, was es war… Etc. Später kamen Waldkindergärten und Permakultur dazu. Meine Liebe für Pflanzen und Bäume, für Tiere und erst dann für Menschen ist riesig!! Wenn ich Menschen als Kollektiv anschaue, dann auch für Menschen.
Ist es nicht so, dass es gerade diejenigen braucht, die jetzt zwar resigniert und müde sind, die aber noch wissen, wie es war- und die die alten inneren Werte, eine Art selbstverständlich innewohnende innocente Ethik haben, die heute eher wenig gefragt ist?
Genau diese möchte ich wieder aufleben lassen!
Wenn ich mir vorstelle, dass wir endlich die neuen alten Technologien bekommen, die uns so lange vorenthalten wurden, dann weiss ich, dass wir die Power haben, wieder jung zu werden, gleichzeitig ein hohes Alter erreichen können. 120 Jahre sind dann problemlos möglich- in vollkommener Gesundheit und elektrolytischer Balance.
The human community must be connected in the sense that an overriding interest obligates and binds. If you don’t like the output, change the input.
Ich erinnere mich, an der Westküste gelebt zu haben während der Hungersnot. Ich habe sogar die Kate wiederentdeckt, in der wir gelebt haben. Grosse Familie, Vater Alkoholiker, kein Einkommen. Dies soll anders werden diesmal.
Ich habe vor, mit den Gärten anzufangen und mit dem Bau von autarken Wohnwagons. Es ist alles eingefädelt. Wir warten noch auf das GO!
Wir dürfen jetzt nicht resignieren, sondern neu starten. Wir sind bei weitem nicht allein.
Du hast recht. Du bist nicht allein!
Viel Glueck!!!
Es tut mir leid; mein Deutsch is nicht so gut daß ich antworte auf Deutsch. I’m with you Cordula. There were many things behind the „alte Irland“ that were not pretty. That is not to say that, as an Irishman, I am happy with all that my country has become. But, as with all things, there is good and bad, just as before.
I am lucky to live on the Beara Peninsula, and we are somewhat insulated from the extremes of change. It is where I chose to live, coming from Dublin city 23 years ago. It is a decision I do not regret at all. I am 72 and I can still find the things I found comfortable as a young child.
There is no complete escape from the growing pains of the new global society.
Hm, ich weiss nicht, ob ich in das Kernpublikum passe. Damals in den 90ern habe ich Irland mit Fahhrad und Zelt bereist, voller Romatik, verzaubert von Landschaft, Mythen and Menschen.
Seit 6 Jahren wohne ich nun hier, mit irischem Mann, als Brexit Fluechtling und arbeite im maroden Gesundheitssystem.
Ich kann die Wehmut und die Trauer um das „alte Irland“ durchaus verstehen. Aber ich glaube fest, dass auch das nur eine Fassade war. Bis in die 80er & 90er gab es die Magdalene Laundries, weit verbreiteten Kindermissbrauch, haben sich die Leute im Norden zerbombt. Die Folgen fuer die einzelnen Menschen sehe ich in meiner taeglichen Proxis.
Natuerlich tut mir die Naturzerstoerung and der ewige Kapitalismus in der Seele weh (und ja, auch wir haben eine ARK), aber wer sind wir, dass wir uns herausnehmen den Menschen zu sagen, was sie zu tun and zu lassen haben?!? Nur weil es uns besser passt?? Weil wir genug haben von einer Wohlstandgesellschaft, die die anderen so nie erlebt haben?
Irland hatte wahrlich genug Fremdbestimmung in der Vergangenheit, das kommt hier gar night gut an.
Und uns bleibt die Moeglichkeit, unsere eigenen Oasen zu bauen, Orte die der Seele gut tun. Das kann in Irland sein oder Deutschland oder im Rest der Welt, die Geographie spielt da keine Rolle.
Da bin ich ganz bei Dir.
Das sehe ich auch so, Cordula.
Danke für diesen Artikel und die sehr schönen und aufschlussreichen Kommentare. Es bewegt mich, auch hier die Veränderungen dieser Art zu sehen. Ich habe das auch in Australien und in Spaniens Pyrenäen und im Süden erlebt. Es ist doch überall so.
Auf der ganzen Welt.
Das Bewusstsein muss sich verändern. Ich bin überzeugt davon, dass es das auch tun wird, denn wir wollen überleben. Naiv? Nein. Zukunftsorientiert. Ich freue mich darauf. Nevertheless.
Dein Artikel stimmt mich traurig, lieber Markus.
Denn ich möchte im September nach über 40 Jahren das erste Mal wieder nach Irland reisen. Zur Westküste ins County Clare, in das kleine Dorf, wo ich 1982 drei Monate lang gelebt und geliebt habe.
Ich bin nun 63 Jahre und habe vor einem Jahr meinen Mann Peter verloren, er starb an Krebs.
Eigentlich wollten wir diese Reise nach Irland noch gemeinsam machen, ich hätte ihm so gerne diese wunderschöne Insel gezeigt, die er nicht kannte. Aber das war uns leider nicht mehr vergönnt.
Ich reise zwar nicht mit einer großen Camperwanne und verstopfe die kleinen Straßen, aber dennoch mit (m)einem VW Bulli.
Denn die Preise für Hotels und Cottages haben auch mich abgeschreckt.
Wer in einer schönen Gegend ein nett eingerichtetes Cottage am Meer buchen will ( Achtung, Cottagefalle, ein ‚Cottage‘ kann in Irland so ziemlich alles sein, auch ein abgeranzter Bungalow), muss mindestens ca.1500 € pro Woche auf den Tisch blättern, nach oben hin sind kaum Grenzen gesetzt.
Das macht für 14 Tage 3000 € ohne die Butter auf‘m Brot. Von den Reisekosten mal ganz abgesehen.
Die spinnen doch, die Iren…
Ich bin sehr gespannt auf Irland und habe gleichzeitig Angst davor, die Büchse der Pandorra zu öffnen. Denn bekanntlich wurde ja diese Büchse, bevor auch die Hoffnung aus ihr entweichen konnte, wieder geschlossen.
Es wird sich vieles verändert haben, so wie ich mich selbst auch in 40 Jahren verändert habe.
Frappierend ist, dass der kleine Ort Quilty, in dem ich damals gelebt habe, sich in 40 Jahren äußerlich kaum verändert hat. Es gibt immer noch denselben Pub mit pubfood ( wahrscheinlich mit demselben zähen turkey roast) und denselben Lebensmittelladen, der gleichzeitig auch Tratsch-und Postzentrale war.
Aber die dörfliche Struktur hat sich verändert, in einigen Häuser wohnt niemand mehr. Einige nach Amerika emigrierte Einwohner sind wohlhabend zurückgekehrt und ihre Erben verhökern oder vermieten nun die Häuser Ihrer Ahnen als Ferienhäuser. Oder sie bauen für sich selbst als sichtbares Zeichen ihres Wohlstands und schlechten Ami-Geschmacks an den Neoklassizismus angelehnte Prunkvillen, die so gut zu einem ehemaligen Fischerdorf an der Westküste passen wie ein Partylöwe zu einem Mauerblümchen.
Wie auch immer, ich werde mit offenen Augen und Ohren reisen. Einiges wird mir bestimmt nicht gefallen oder mich abstoßen, aber ich werde bestimmt auch vieles von dem wiederfinden, was Irland für mich immer ausgemacht hat. Das waren die unglaubliche Herzenswärme der Iren und wunderschöne Landschaften, die meine Seele berührt haben.
Und mein Peter wird in meinem Herzen mitreisen. So kommt er doch noch nach Irland…
Liebe Grüße auf die grüne Insel!
Eben habe ich einen Artikel auf auf der Homepage des Journals Epoch Times entdeckt „Irland lockt mit 84.000 Euro für Siedler auf umliegende Küsteninseln“ (von Iris Lindenmaier25. Juni 2023) in dem Geschrieben steht, daß die irische Regierung nun die Inselgemeinden des Landes beleben wollen. Auch dort wird es wohl bald vorbei sein mit der besonderen Atmosphäre und der Ruhe. Der Ausverkauf Irlands. Hier in Deutschland wird fleißig die Werbetrommel für Irlandreisen gedreht, z. B. im TV. Von den schönen Bildern angelockt kommen so vermehrt 0815-Touristen auf die Insel, deren Herz nicht wirklich für Irland schlägt. Das ganze Geschehen ist m. E. eine großangelegte Kampagne der Tourismusbranche bzw. den Geldhaien im Hintergrund.
Einige Jahre war ich nicht mehr in Irland, weil ich’s mir finanziell nicht mehr leisten kann. Ich bin in Gedanken sehr oft dort, habe aber genau das was Du, Markus, in diesem Artikel hier beschreibst, kommen sehen … von dem was Irland einst ausmachte, ist nicht mehr viel übrig. In Irland verbrachte ich die beste Zeit meines Lebens, Irland fühlte sich für mich wie Heimat an, irgendwie vertraut. Von meinem ersten Besuch an fühlte ich mich auch den Einheimischen sehr zugetan, die Wellenlänge stimmte, in Deutschland war das so gut wie nie der Fall. Im Außen bin ich nun heimatlos geworden, da bleibt nur der Ort der inneren Heimat aber auch der soll uns noch genommen werden, durch Transhumanismus / KI.
Wie Wanderheuschrecken überfallen abgeflachte, innerlich verarmte Artgenossen (Homo oeconomicus), die der Macht und dem Geld huldigen, jedes Fleckchen Erde, rund um den Planeten, so es irgendwie nach Gewinn riecht. Kein Land ist vor ihnen sicher, genauso wenig, wie ist ihnen irgendetwas heilig, außer Macht und Geld, das ist ihre Religion. Kulturen interessieren sie nicht, das ist in deren Augen zurückgebliebenes, altmodisches Zeug und hinderlich bei der Verwirklichung ihrer Ziele. Die stehlen beispielsweise auch Ureinwohnern im Amazonasgebiet hemmungslos das Land unterm Hintern weg, um Plantagen anzupflanzen, zerstören flächendeckend Natur, um zu verindustrialisieren.
Doch liegt es auch an den Einheimischen, ob derartige Auswüchse manifestiert werden können. Wäre den Einheimischen Land und Kultur wirklich wichtig / heilig, würden sie gemeinsam alles in ihrer Macht stehende unternehmen, damit ihre Kultur erhalten bleibt und der globale Einheitsbrei keine Chance hat.
Lieber Markus,
Unser Biohof im Allgäu hat uns nicht viel freie Zeit erlaubt. Irland, Dublin ( Flüge von Memmingen. ) Cork, die Westküste und immer wieder Irland war war jede freie Minute. Emma unser ältestes Enkelkind, 22 Jahre war, nachdem sie durch uns Irland kennengelernt hat , für 4 Monate auf achill Island . Wir haben 11 Enkelkinder und alle sollten Irland kennenlernen was 2020 eine geplante Familienreise 21 Personen , durch Corona gecancelt werden musste.
Heute, in der Nähe von Sneem , wo wir letztes Jahr für alle Kinder gestrickte Mützen gekauft hatten … gibt es den Laden mit der netten Frau und Strickerin nicht mehr … doch unendlich viele Touristen und immer mal wieder treffen wir freundliche Irländer , Gott sei Dank . Wir fahren jetzt gerade weiter nach achill .. was erwartet uns?
Danke für ihre News … die waren immer ein Hauch Irland der auch ins Allgäu kam … Maria und Kony mit Bacchus ( unser Border collie )
So viel Melancholie und Desillusionierung, und auch Rückzug lieber Markus, das tut mir leid zu lesen. Da ich erst seit 2004 Jahren hier bin und noch dazu im Raum Dublin lebe, habe ich das Land nochmal ganz anders kennengelernt als du. Und ja, es gibt so viel was hier, so wie auch in Österreich, schiefläuft. Gesundheitssystem, die absolut nicht nachvollziehbare „Strategie“ im öffentlichen Verkehr, die Korruption (RTE anyone, als jüngstes Beispiel), die aufkeimende Rechtsbewegung (die hier aber mM zum Glück noch immer weit weg ist vom Mainstream, hoffentlich noch lange), etc etc. Andererseits kann man nicht von einem Land erwarten, für immer Projektionsfläche zu bleiben. Auch in Irland leben Menschen, mit denselben menschlichen Schwächen wie überall. Irland hat noch zu knabbern an seiner kolonialen Vergangenheit, man ist es nicht gewohnt, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen, „houseproud“ zu sein. Und die Vergangenheit zu romantisieren ist gerade auch in Irland zweischneidig. Denn es gibt auch positive Entwicklungen, vor allem gesellschaftlich. Für die Frauenrechte, für alternative Lebensentwürfe, für ein Leben frei vom Diktat des Klerus. Auch wenn es vom äußersten Südwesten aus gesehen nicht so scheinen mag, Dublin ist eine bunte und auch immer noch eine willkommen heißende Stadt, mit einem überaus freundlichen „Vibe“, was sich mir bei jedem Besuch in Österreich oder Deutschland wieder bestätigt. Ich lebe gern hier, noch immer, und versuche mich bewusst jeden Tag für realistischen Optimismus zu entscheiden.
Mich würde übrigens sehr interessieren – wie sehen das deine Söhne? Wollen sie in Irland bleiben? Sehen sie eine Zukunft für sich auf der Insel?
Liebe Grüße von der Ostküste
Schön gesprochen..
Ein sehr gut geschriebener Artikel, der sehr viel von dem widerspiegelt, was auch unser Gefühl uns sagt.
Wir sind jedes Jahr in Irland – in den ersten Jahren im September/Oktober – zwischenzeitlich aus beruflichen Gründen immer erst ab Ende November und dafür über die Feiertage.
Irland hat sich sehr verändert – vor allem nach dem Wild Atlantic Way. Als wir 2011 das erste Mal in Irland waren, gab es den WWW noch nicht – und trotzdem war die Landschaft traumhaft schön, die Sehenswürdigkeiten Anziehungspunkte.
Unser Standort ist jedes Jahr für 5-7 Wochen Connemara und ggf. zu Beginn eine Woche im Süden oder zum Ende eine Woche im Norden oder auch mal in den Wicklow Mountains. Dublin haben wir separat im Jahr vor Corona besucht. Eine gute Erfahrung – aber nicht das eigentliche Irland.
So sehr ich Cork, Kerry und auch die Burren/Cliffs of Mohar liebe – aber im Sommer möchte ich einige der Ort dort nicht erleben. Die sind schon im Herbst/Winter noch stark frequentiert. Vor allem dann, wenn die Iren selber Urlaub haben und im Land bleiben.
Darum lieben wir Connemara um diese Zeit um so mehr – die Strände sind einsam und leer – kilometerweit kein Mensch zu sehen – selbst der Aufstieg auf den Diamond Hill ist zu dieser Zeit ruhig und entspannt – weil wenig Menschen unterwegs. Die Pubs nicht überfüllt – die Iren freundlich und liebenswert – wie wir sie vor 12 Jahren zum ersten Mal kennengelernt haben.
Gespannt bin ich auf dieses Jahr – auf die weitere Entwicklung in diesem Land, das ich seit meinem ersten Besuch dort – in mein Herz geschlossen habe. Wir lieben die Zeit dort – für uns ist es nach einem stressigen Jahr die ruhigste Zeit im Jahr, wenn wir 5 Wochen im Cottage unterhalb der Moumturk Montains wohnen – morgens einen Blick auf die mit Schafen besiedelten Wiesen haben und auf die Berge, die je nach Wetter mal kleinere oder größere Wasserfälle haben. Also einfach schön und ruhig.
Wenn wir durch das Land fahren – auf der Suche nach Abbeys und Burgen – genießen, dass man alleine ist.
Wanderungen am Killary Harbour – in den Bergen und auf den Wegen und in den Wöldern.
Über die weitere Entwicklung sind wir gespannt.