Allihies

Das Dörfchen Allihies auf der Beara Halbinsel

 

Geschichten von der Beara-Halbinsel im Süd-Westen Irlands (Teil 33)

von Peter Bernhardt* 

 

Heute erzählt Peter Bernhardt die traurige Geschichte einer Familie auf Beara, die in der Zeit des Großen Hungers zu überleben versuchte. Es ist die wahre Story von Norry, Pat und ihren sieben Kindern. 

 

Es war einmal eine Familie in Allihies in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Norry Tenpenny war die Frau von Pat Kelly, der in den Kupferminen von Allihies Arbeit gefunden hatte. Das Paar hatte sieben Kinder, von denen das Jüngste noch an Mutters Brust hing. Dann kam das schreckliche Hungerjahr 1847, das Schwarze 47.  Die Arbeiten in den Minen wurde eingestellt, weil ein kontinuierliches Arbeiten nicht mehr möglich war, weil der Sensenmann eine erschreckend hohe Zahl an Arbeitern dahin gerafft hatte. Viele Familien suchten im Workhouse Zuflucht. Immerhin hatte man dort ein Dach über dem Kopf und bekam eine einfache Mahlzeit, wenn bessergestellte Bürger etwas spendeten.

 

Copper mines

Reste der alten Kupferminen von Allihies: Ein Maschinenhaus.

 

Pat Kelly war natürlich mit der Situation nicht zufrieden und hatte gehört, daß es noch Arbeit in den Minen von Bunmahon im County Waterford geben soll. Er hatte die Hoffnung, dort Arbeit zu finden, um seine Familie vom Hungertod zu bewahren. Er vereinbarte mit Norry: „Ich will versuchen dort Arbeit zu finden, wenn du nach vierzehn Tagen nichts von mir gehört hast, dann folge mir mit den Kindern, denn dann habe ich sicherlich Arbeit gefunden.“ Norry wartete die vereinbarte Zeit ab, und als sie nichts von ihrem Mann hörte, machte sie sich mit den sieben Kindern auf den beschwerlichen Weg von Allihies nach Bunmahon.

Mitte des 19. Jahrhunderts war die Mining Company of Ireland aktiv mit der Ausbeutung der Minen um Bunmahon beschäftigt. Man fand dort schon im 18. Jahrhundert Blei, Kupfer und Silber. Von 1825 bis 1850 waren die Funde bei Knockmahon sehr profitabel. Dabei wurden Stollen in eine Tiefe bis 400 Meter getrieben. Sie lagen damit deutlich unter den Meeresspiegel, was Probleme durch eindringendes Wasser verursachte.

 

Allihies Kupferminen

Bergarbeiter in Bunmahon um 1900

 

Die Minengesellschaft gab sich damit nicht zufrieden, und man fand bei Tankardstown weitere Vorkommen. Ab 1885 verlegte man den Betrieb dorthin. In den Folgejahren hatte die Company mit ständig schwankenden Kupfer-Preisen auf dem Weltmarkt zu tun. 1879 war dann auch hier Schluß und die Belegschaft von fast 1200 Arbeitern wurde entlassen. Viele Familien verließen ihre Heimat und versuchten ihr Glück in Butte/Montana, wie es auch viele Familien aus Allihies um 1880 gemacht haben. Zurückgeblieben sind ein paar Ruinen der Maschinenhäuser an den Klippen von Tankardstown.

 

Norry jedenfalls erreichte Bunmahon mit nur noch drei ihrer Kinder, die anderen vier waren unterwegs gestorben. Norry hatte sie am Wegesrand eigenhändig begraben. Zu allem Unglück hat sie dann auch noch bei ihrer Ankunft erfahren müssen, daß ihr geliebter Pat am Abend vor ihrer Ankunft in einem Massengrab beigesetzt worden war.

Übermannt von tiefer Trauer brach sie am Grab zusammen. Frauen, die ein ähnliches Schicksal durchgemacht haben, halfen ihr wieder auf die Beine, doch die Arme verlor über den Schmerz ihren Verstand. Ihr Unterbewußtsein lenkte ihre Schritte wieder auf den Weg zurück nach Allihies. Sie erreichte Allihies nur mit ihrem toten Baby auf dem Rücken.

Norry überlebte diese Tragödie noch vierzig Jahre. Aber sie fand nie wieder zurück ins normale Leben. Jede Nacht sah man sie im offenen Stall vor dem Feuer sitzen und man fragte sich, ob sie jemals schlafen ging. Sommers wie winters strolchte sie durch den Ort und murmelte die Namen ihrer Kinder, die sie nur mit ihren schwachen, dünnen Fingern beerdigt hatte.

Norry starb vor über 130 Jahren. Ihr Grab ist nicht markiert. Möge sie im Jenseits wieder mit ihren Lieben zusammengekommen sein.

 

PS: Peters Geschichten von der Beara Peninsula erscheinen regelmäßig hier auf Irlandnews.
Fotos: Peter Bernhardt (oben) Markus Bäuchle (2.v.oben), historische Aufnahme der Bergarbeiter von Bunmahon.