Irland Corona

Irland blüht: Primeln

 

Irland in den Zeiten von Corona. Wir leben auf dem Land in Irlands äußerstem Südwesten, in einer Streusiedlung am westlichen Rand Europas, direkt am Atlantik. Auch in dieser einsamen, abgelegenen Gegend wird das Leben jetzt völlig vom neuartigen Coronavirus beherrscht. Wir, Eliane [e] und Markus [m], schreiben ein gemeinsames öffentliches Tagebuch über unser Leben in Irland in Zeiten von Corona. Heute schreibt Eliane . . .

 

26. März 2020, Donnerstag.

 

Irland CoronaAlltag. Inzwischen ist bei mir Routine eingekehrt. Morgens diverse Medien durchklicken, um zu checken, wie es meinen Freund*innen in der Schweiz, in Österreich, in Italien, in Brasilien und in Deutschland zu gehen könnte. Momentan gibt es ohnehin ein regelmäßiges Hin und Her von Galgenhumor: lustige Husten-Filmchen, musikalische Anleitungen zum korrekten Händewaschen, Kerzen und Lichter, die man weiter leiten soll (sorry, ich bediene schon seit 50 Jahren keinerlei Kettenbriefe!).

Dann wird jeden Tag etwas gearbeitet, doch eher lockerer als sonst. Heute gab es einen Blog-Text mit zahlreichen Tipps für Eltern und Kinder: Ätherische Öle für bessere Konzentration beim “Schule Daheim”-Lernen, zur Linderung von Heuschnupfen-Beschwerden, zum Reduzieren von Ängsten. Hier zum Mitlesen. Je nach Wetter ruft der Garten nach Aktion, jetzt ist viel zu jäten, auszusäen, umzutopfen und sogar zu ernten: Die Kap-Stachelbeeren sind reif und fallen teilweise beim Schütteln vom wuchernden Strauch. Zwischendrin wird gekocht und/oder gelesen und schwupp ist der Tag auch schon wieder vorbei.

 

Irland Corona

Irland blüht: Die Sternmagnolie

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Irland blüht ungerührt. Es ist Frühling. Heute war es nach einem sehr grauen Start wunderbar sonnig, den ganzen Tag strahlte dann die Sonne, es wurde richtig warm, ich konnte ohne Jacke Hortensien ausgraben und woanders hin pflanzen. Die Aussicht für die nächsten Tage bedeutet, dass ich viel mit der Gießkanne unterwegs sein muss, da zahlreiche neue Heckenpflanzen und Ableger noch auf einen Extra-Schluck angewiesen sind. Es sprießt und blüht an allen Ecken des Gartens: die Sternmagnolien, die Forsythie, erste Azaleen, überall Primeln (die sich jedes Jahr schöner aussäen) und nach wie vor die verschiedenen Farben der traumhaften Kamelien. Deren üppige Blüte beschert dann auch immer ein paar hübsche Vasen für drinnen.

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Irland Corona

Irland blüht: Weiße Kamelie

 

Nahrung. Zwischendrin gibt es noch ein paar traurige Mails, beispielsweise dass nun unser geschätzter AirCoach, unser stündlicher Bus nach Dublin, komplett dicht gemacht hat. Nicht dass wir ihn oft in Anspruch nehmen, doch eine weitere Lebensader auf der Insel ist nun auch verschwunden. Noch ist Spielraum mit Verboten, Schließungen und Kontrollen. Das fühlt sich durchaus bedrückend an. Heute tauchte in mir die Frage auf: Was passierte mit all dem Essen bei Ikea, als dort genau vor einer Woche dicht gemacht wurde, von einem Tag auf den anderen. Was passiert mit all den Lebensmitteln, die nun nicht für Cafés und Restaurants verbraucht werden? Trinken die Menschen nun deutlich weniger Coffee to go, fliegen bald weniger Pappbecher und Plastikdeckel an den Straßenrändern herum? Werden “Milchberge” entstehen, wenn diese nicht mehr in jedem Restaurant zum obligatorischen Tee oder “Latte” serviert wird?

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Irland Corona

Irland blüht: Die Traubenhyazinthe

Honesty: Eine der Pflanzen, die aus meinen kleinen Samentütchen gedeihen soll, ist die wunderbar duftende Mondviole, die nachtaktive Falter, zahlreiche Schmetterlinge und andere Insekten anlockt. Sie heißt auf deutsch auch Silberblatt, da sie faszinierende silbrig schimmernde “Taler” als Samenkapseln ausbildet. Auf englisch wird sie unter anderem ‘honesty‘ (Ehrlichkeit) genannt. Passend dazu war heute eine gewisse – noch sehr scheue – Ehrlichkeit in einigen Medien zu vernehmen. Es heißt, dass so schnell kein Reiseverkehr mehr stattfinden könnte, dass in nächster absehbarer Zeit Flugreisen nicht mehr möglich sein werden… Wer weiß es, keiner kann die Lage einschätzen, weder die medizinischen Koryphäen, noch die Politiker und erst recht nicht wir Laien. Also heißt es weiterhin “Tee trinken und abwarten” und den Blüten beim Wachsen zusehen.

Fotos &  Vignette: Eliane Zimmermann