„Er stand allein vor dem Feenhügel,
unter dem gehörnten Mond,
und hörte unter den Gräsern,
fidel und schrill,
eine Elfenmelodie.“
Ruth Duffin
(aus „The Changeling“ The secret hill 1913)
Vorneweg: Heute wird es romantisch, will sagen irisch-mystisch… kitschig? Diese Entscheidung überlasse ich den Leserinnen und Lesern des heutigen Gedichtes.
Wir Irlandfans aus dem Deutschland der Siebziger be-suchten die Insel und suchten das Sehnsuchtsland Irland, waren gierig nach all dem, was uns fremd, „authentisch“, „irisch“ vorkam. Wir fanden Irlands Rebellen und deren Widerstand gegen die Krone großartig. Wir selbst waren durch die „Besetzung“ solcher Werte wie Vaterland, Identität, Natur durch die Nazis in Vielem abgeschnitten von unseren eigenen kulturellen Wurzeln. Also projizierten wir diese Sehnsucht auf die grüne Insel.
Uns erschloss sich nach und nach auch das, was man die keltische Seele nannte, die Naturmystik. Als rational geprägte Wohlstandskinder lehnten wir naturromantische Zugänge eigentlich ab oder fanden zum Beispiel durch alternative Lebenskonzepte wie Landkommunen oder den biologischen Landbau dann zögerlichen Zugang dazu.
In Irland waren wir frei von Verkopfung, offener für uns Fremdes. Vieles, was uns daheim vielleicht spießig vorkam, sogen wir im Urlaub auf: Wir sangen Rebellsongs mit, akzeptierten den tief verwurzelten Katholizismus und staunten darüber, wie scheinbar selbstverständlich die Iren mit solchen Ideen wie dem „Kleinen Volk“ umgingen, wie Feen, Elfen, Gnome nicht nur Fantasy waren, sondern tatsächlich vielerorts das Leben prägten.
Wir waren jung.
Ruth Duffin
The Fairy Piper / Der Feen Flötenspiel
Die Keltische Renaissance oder auch Keltische Dämmerung in Kultur und Literatur ist verbunden mit Hochliteraten wie W.B. Yeats. Ende des 19. Jahrhunderts bezogen sich viele Künstler und Intellektuelle auf alte irische Vorbilder und Sagengestalten. Das Schürfen in der keltischer Mythologie war geradezu angesagt. Dezidiert Yeats schuf in seinem Frühwerk eine national-irische, mythisch-mystische, oft symbolische Dichtung. Eine Entsprechung fand sich auch in England mit Autoren wie Percy Shelly und William Blake, den großen Vertretern der englischen Romantik.
Heute soll es um eine Epigonin dieser Bewegung gehen, um Ruth Duffin, die zusammen mit ihrer Schwester Celia romantisch-mystische Gedichte schrieb. Die Duffin-Schwestern entstammten einem protestantischen Elternhaus in Belfast. Ihre Eltern Adam und Maria Duffin hatten neun Kinder. Die Duffins waren Mitglieder der Belfaster High Society mit vielen wohlhabenden und einflussreichen Freunden und Verwandten. Die Familie war in Wirtschaft und Politik gut vernetzt und pflegte ein gutbürgerliches, vom presbyteranischen Glauben geprägtes Leben.
Die sieben Töchter aus gutem Haus wurden von der Mutter und deutschen Gouvernanten privat erzogen. Alle sieben Mädchen besuchten das Cheltenham Ladies‘ College. Ruth war später die erste Aufseherin in Riddel Hall, dem zugehörigen Frauenwohnheim der Queen‘s University Belfast.
Die Schwestern Celia and Ruth Duffin veröffentlichten zusammen zwei Gedichtbände (mit Illustrationen ihrer Schwester Emma): The Secret Hill (1913) und Escape (1929). Daneben waren die beiden Schwestern, wie auch ihre Mutter, eifrige Tagebuchschreiberinnen.
erschienen 1916
(Foto: https://archive.org/details/secrethillpoems00duffiala)
Alle Gedichte der Irlandnews-Serie Lyrik am Sonntag können Sie hier aufrufen: Lyrik am Sonntag
Ruth Duffin
1877-1968
(Foto: makingthefuture.eu/dear-diary/diarist/ruth)
THE FAIRY PIPER
Who hears the fairy piper play
Beneath the secret hill,
Though he should wander worlds away
Shall hear that music still.
Faint, far and sweet, by dale and down
Where white the hawthorn blows
Where rustling autumn leaves are brown-
Among the winter snows
By bog and moor and clanging town
It follows where he goes.
When shine the merry morning skies,
And through the golden day,
Or when the wailing night-wind sighs
And evening clouds are grey
Life-long, until the day he dies,
He hears the piper play.
Der Blogger Anthony Gardner beschreibt in einem Beitrag unter dem Titel Hineinstolpern in die Keltische Dämmerung, wie er auf die Gedichte von Ruth (und Celia) Duffin aufmerksam wurde:
….Ich war aufgeregt, als mein Schwager mir kürzlich eine E-Mail mit den Details eines Gedichtbandes namens The Secret Hill schickte, der 1914 von meinen Cousinen ersten Grades, Ruth und Celia Duffin, veröffentlicht wurde. Meine Erwartungen waren verschwindend gering, aber die Gedichte – obwohl offensichtlich von Yeats abgeleitet – waren besser als ich erwartet hatte. (Sie gingen sogar in eine zweite Auflage.) Es ist tatsächlich ihre abweichende Qualität, die sie so interessant macht. Wir mögen von den großen Gestalten der „Keltischen Dämmerung“ lesen, aber nur wenn wir das Werk ihrer vernachlässigten Nachfolger untersuchen, können wir die Wellen, die die Bewegung aussandte, richtig einschätzen. In „The Secret Hill“ gibt es die ganze Palette von Feen, mythischen Kriegern, heiligen Narren und klagenden Bettlern, – Wesen und Zustände, die für unseren Verstand völlig unvereinbar sind mit der schrecklichen Realität der Gewalt, die im Begriff war, Europa zu verschlingen (der Autor meint den drohenden 1. Weltkrieg) …
Das heutige Gedicht führt uns in die folkloristische Feenwelt: Das Kleine Volk mit seinen zahlreichen Geschöpfen wie Leprechauns, Pookas, Banshees oder Grogochs ist der Musik zugewandt. Eigens dazu gibt es auch den Changeling – ein Verbindungswesen zwischen Feen- und Menschenwelt. Feenkenner – davon scheint es in Irland eine Menge zu geben – bezeugen, dass Changelinge eine Art Wechselbalg seien, also Feenkinder, die Menschenfamilien untergeschoben wurden. Sie brächten zwar oft Chaos in die Familie, doch seien sie sehr musikalisch. Vor allem spielten sie gerne die irischen Pfeifen, Dudelsack oder Flöten. Um solch einen Piper scheint es sich hier zu handeln. Seine Musik ist nicht für alle Menschen hörbar, nur für die sensiblen. Diesen aber folgt die Feenmusik nach – wohin der Menschen Wege auch führen…..
Wie oben erwähnt: Heute wird es romantisch, will sagen irisch-mystisch… kitschig? Hier meine Nachdichtung:
Dank an Karin Mangold-Schneider für die Unterstützung bei der Übersetzung
Übersetzung, Nachdichtung, Foto (Connemara 2012) und Gestaltung: Werner Bartholme
Quellen:
Wikipedia: https://en.wikipedia.org/wiki/Emma_DuffinAnthony
Gardner Blog (2010) https://tomorrowsbooks.wordpress.com/2010/07/04/stumbling-into-the-celtic-twilight/
Tagebuchauszüge: https://www.makingthefuture.eu/dear-diary/diarist/ruth-duffin
Über die Feenwelt: https://exemplore.com/magic/typesofirishfairies
Lieber Werner, das ist ein Gedicht seiner Zeit. Es wäre modisch und allzu leicht, das Feen-Gedicht von Ruth Duffin mit rigidem zeitgenössischem Urteil als romantischen Kitsch abzukanzeln.. Das tut, wer die Verbindung zur Natur komplett verloren hat.
Interessant Deine Selbsterforschung des jungen Irlandfahrers in Dir. Die Feststellung „Wir waren jung“ wirkt fast wie eine Entschuldigung. Vielleicht war das Irland der 80-er Jahre für uns die ideale Projektionsfläche unserer Utopien. Schon damals begannen wir zu begreifen, dass wir auf dem falschen Weg unterwegs sind, dass überbordender Materialismus und ein verantwortungs-armer Liberalismus uns in die Sackgasse führen würden, in der wir nun stecken.
Irland war damals, nur zwei Reisestunden entfernt, der radikale Gegenentwurf. Abgesehen davon, dass die meisten Irinnen und Iren diesen Blick nie teilen konnten, weil sie selber Wohlstand, Freiheit und „modernen“ Lebensstil herbei sehnten, erlebten wir damals eine ökologisch weitgehend intakte Insel und Menschen, die mit der Landschaft verbunden waren und noch intensiv in ihren eigenen inneren Räumen lebten..
Das hat sich in den vergangenen vier, fünf Jahrzehnten drastisch geändert, und nun träumen manche Einheimische hier von der Utopie der eigenen Vergangenheit, als die Gelegenheiten zum Prassen, zum Horten und zum Zerstören noch Mangelware waren. Die achtlose bis blindwütige Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen nimmt auch in Irland mittlerweile erschreckende Formen an. Die Instrumentee der Zerstörung, zur Verwandlung von Natur in Kapital, sind preiswert und allgemein verfügbar geworden. Der Raubbau verändert das Bild der vermeintlich ewigen Landschaft wie im Zeitraffer, Der Sinn für Schönheit und Dazugehörigkeit scheint auf der Strecke geblieben zu sein.
Gehen wir mit dieser Utopie aus der Jugend behutsam um, halten wir sie wach, denn sie ist uns ein verlässlicher Kompass. Sie zeigt uns die Richtung zum rettenden Ufer, zur Bewahrung des. vielfältigen Lebens auf der Erde. Wir leben in der Epoche des Anthropozäns. Wir wissen: Wie wir wirtschaften und leben, wie wir zerstören und vernichten: Wir sind es, wir haben es gemacht. Wir sehen keine unabänderlichen Naturgesetze am Werk. Das ist auch die Botschaft der Feen im Zauberhügel ;-).
Lieber Markus;
„Wir waren jung“ – stimmt, ist sehr offen gehalten. Ist aber nicht unbedingt als eine Entschudligung zu verstehen. Dass Irland für uns/besser : mich auch eine Projektionsfläche und Suchfeld war, dazu habe ich meine mutmaßlichen „Erkenntnisse“ ja dargelegt.
Das ist die Qualität Deiner Irlandnews: Da treffen sich so viele Gedanken und Ideen, rund um IRLAND (dort) und das IRLAND (in mir/uns). Es ist schön, dass es das gibt!
Und, wenn ich ein wenig -mit dem Fokus auf dem Entdecken von Gedichten – dazu beitragen kann, ist mir dies eine Freude. Noch mehr, dass ich Irland hoffenlich bald wieder Irland be-reisen darf und dort auf liebe Freunde treffe…..
Werner