“Hast du eigentlich jemals geliebt?“
„Wie wäre ich wohl imstande, die vollkommensten Liebeslieder unserer Zeit zu schreiben, wenn ich liebte?“
Antwort von James Joyce auf die Frage seines Bruders Stanislaus

 

Heute wird es Zeit für den großen Literaten Irlands: JAMES JOYCE.

Und wieder einmal gehe ich ganz unvorbelastet an die Übersetzung heran. Ich suche mir ein eher einfaches Liebesgedicht aus und fange an – wohl wissend, dass es schon Übersetzungen in unsere Sprache gab. Erst sehr viel später besorge ich mir antiquarisch die gesammelten Gedichte in der Übertragung von Hans Wollschläger und Wolfgang Hildesheimer⁴.

Ist mein Versuch naiv oder überheblich oder gar unnütz? Egal, zunächst ist es eine große Freude für mich selbst, so ein Gedicht zu knacken, mich in Denken, Sprache und Zeit einzufühlen – und es ist ein Versuch, Versmaß und Reimstruktur ins Deutsche zu übertragen. Los geht‘s.

 

James Joyce
2. Februar 1882 – 13. Januar 1941

(Foto en.wikipedia.org)


Alle Gedichte der Irlandnews-Serie Lyrik am Sonntag können Sie hier aufrufen: Lyrik am Sonntag


 

Der irische Romancier und Dichter James Joyce wurde 1882 in Dublin als ältestes von zehn Kindern geboren und wurde zu einem der einflussreichsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Natürlich ist er vor allem für seine Romane Ulysses, Porträt eines Künstlers als junger Mann und Finnegan’s Wake bekannt, war aber auch ein erfolgreicher Poet.

Joyce galt als hochintelligentes Kind, obwohl er aus ärmlichen Verhältnissen stammte. Mit 6 Jahren besuchte er eine Jesuitenschule und später das Belvidere College in Dublin. Sein erstes veröffentlichtes Werk erschien 1900 im Alter von 18 Jahren, ein Essay über das Ibsen-Stück When We Dead Awaken. Zu dieser Zeit schrieb er bereits Gedichte.

Nach Abschluss des Studiums ging er nach Paris, zunächst um Medizin zu studieren. Er arbeitete eine Zeit lang als Journalist, doch als bei seiner Mutter Krebs diagnostiziert wurde, kehrte er nach Dublin zurück. Nach ihrem Tod trank er viel und schlug sich als Buchrezensent, Sänger und Lehrer durch.

1904 versuchte er, eine Erzählung mit dem Titel A Portrait of the Artist zu veröffentlichen, ohne großen Erfolg. 12 Jahre später nahm er dieses Werk wieder auf, schrieb es um und veröffentlichte es schließlich als A Portrait of the Artist as a Young Man. Seinen ersten Erfolg bei der Veröffentlichung seiner Werke hatte er 1907 mit Chamber Music, einer Sammlung von 36 Liebesgedichten. Aus dieser Sammlung stammt als 13. Gedicht auch unser heutiges Poem Go seek her out. Die lyrische Qualität seiner Gedichte ist möglicherweise auf seine musikalische Erziehung zurückzuführen – seine Mutter war eine versierte Pianistin und Joyce selbst ein guter Tenor.

Nachdem er einige Zeit in Dublin verbracht hatte, lernte er das Kammermädchen Nora Barnacle kennen und brannte mit ihr in die Schweiz durch, bevor er einen Lehrauftrag in Triest in Österreich-Ungarn erhielt, wo er sich 10 Jahre lang niederließ. In dieser Zeit kämpfte er um die Fertigstellung seines Romans The Dubliners.

Zu seinen weiteren poetischen Werken zählen The Holy Office, eine Polemik gegen die irische Gesellschaft, und Ecce Puer, das den Tod seines Vaters mit der Geburt des Enkels zusammenführt. Von 1920 an lebte Joyce 20 Jahre in Paris, wo er 1921 den Ulysses fertigstellte.

In den weiteren Jahren in Paris litt er unter Augenproblemen und musste sich mehreren Operationen unterziehen. Schon geschwächt begann er Finnegan’s Wake zu schreiben. Als der Krieg ausbrach, musste er Paris verlassen und zog nach Zürich, wo er an einem perforierten Geschwür operiert wurde. Obwohl es ihm besser zu gehen schien, starb Joyce in den frühen Morgenstunden des 13. Januar 1941².

 

 

Go Seek Her Out


Go seek her out all courteously,
And say I come,
Wind of spices whose song is ever
Epithalamium.
O, hurry over the dark lands
And run upon the sea
For seas and lands shall not divide us
My love and me.

Now, wind, of your good courtesy
I pray you go,
And come into her little garden
And sing at her window;
Singing: The bridal wind is blowing
For Love is at his noon;
And soon will your true love be with you,
Soon, O soon.

 

Das poetische Frühwerk von James Joyce steht im Schatten seiner großen Romanwerke. Aber, die Gedichte überraschen mit seltsam romantischen Tönen; können also eine wundersame, ergänzende Wahrnehmung des großen Literaten darstellen.

In verschiedenen Annäherungen und Interpretationen des Gedichtes wird betont, dass die 33 frühen Liebesgedichte in dem Buch Chamber Music / Kammermusik ineinander führen. Motive wie Meer und Wind werden häufig aufgegriffen und variiert. Joyce verwendet die Intimität und das Zusammenspiel eines kleinen Kammermusikensembles als Metapher für Zärtlichkeit und Liebesspiel.

Joyce, der die Institution Ehe verachtete, lässt den Liebhaber hier sehnsuchtsvoll auf seine Geliebte hoffen. Sein Vertrauter ist der Wind, der als süß-würzig vorgestellt wird und das Liebesvorspiel mit seinem leichtem Hauch ahnen lässt.

Es ist vor allem die Musikalität der Gedichte, die  Dichter wie Ezra Pound und W.B. Yeats an Chamber Music faszinierte. Immer wieder wurde diese zum Ausgangspunkt einer Fülle teils legendärer Vertonungen, von Samuel Barber über Luciano Berio bis hin zu Syd Barrett, dem Mitbegründer von Pink Floyd.

 

Bild Hauswand 2012: W. Bartholme

 

Quellen
(1) wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/James_Joyce
(2) My Poetic Side  James Joyce: https://mypoeticside.com/poets/james-joyce-poems
(3) Vorwort zu
Chamber Music / Kammermusik Zwei Nachdichtungen von Alban Nikolai Herbst und Helmut Schulze; 2017; ISBN 978-3-938375-82-2
(4) James Joyce Gesammelte Gedichte; Suhrkamp 1987