Eine beruflich erfolgreiche, privat eher einsame Bekannte aus früheren Tagen pflegte geselligen Umgang mit ihrem Fernsehgerät. Morgens, wenn sie aufstand, stellte sie sofort den Fernseher an, abends, wenn sie von der Arbeit in die leere Wohnung zurückkam, drückte sie als erstes den Einschaltknopf am Eckensteher, Geschaut hat sie eigentlich selten, es ging ihr ums Hören und Fühlen: “Wenn das Fernsehgerät im Hintergrund Geräusche macht, fühle ich mich nicht ganz so einsam und alleine in meiner Wohnung”, erklärte die Bekannte einmal ihr tägliches Medien-Ritual.
Ich habe den Kontakt zu ihr verloren. Manchmal denke ich an sie — wenn mich das Mitteilungs-Verhalten von ZeitgenossInnen auf Facebook mal wieder amüsiert. Da gibt es Freundinnen und Freunde, die mich über ihren Tagesablauf minutiös auf dem Laufenden halten, oder besser: die ihren Tagesablauf minutiös bekannt geben. Das beginnt mit einem – je nach Stimmung fröhlichen, klagenden oder trotzigen — “Guten Morgen!” und endet mit dem Gutenacht-Gruß. Dazwischen kann man erfahren, was es zum Mittagessen gibt oder wen er/sie getroffen hat. Von “Likes” oder Antworten oft keine Spur.
Ganz schön praktisch, dieses Facebook. Es gibt einem das schöne Gefühl, nicht alleine zu sein, Die Freunde da draußen, sie sind immer irgendwie da (wenn auch nicht hier), die Facebook-Family im Online-Äther, sie ist so rücksichtsvoll und unaufdringlich — und always on, wenn ich es nur will. Der Fernseher ist aus, die Zeitung abbestellt. Er sieht zu seiner Freundin gegenüber am Frühstückstisch auf. Über zwei Notebook-Bildschirme hinweg treffen sich Ihre Blicke für einen Augenblick, jenseits von Facebook: “Einen schönen guten Morgen!”
PS: Ich werde von einzelnen Klugsch_reibern gerne dafür kritisiert, dass ich Facebook nicht mag und es doch intensiv nutze. Das ist tatsächlich ein Dilemma, mit dem ich umgehe. Ich nutze es beruflich. Ich benutze es nicht privat. Ich mag Facebook nicht, weil es versucht, das offene freie Internet , wie wir es kennen, zu ersetzen. Weil es mit unseren Daten möglicherweise nicht verantwortungsvoll umgehen wird. Weil es zu groß, zu mächtig, zu kommerziell ist und noch immer wächst.
Ein Tipp: Ladet einmal in den Kontoeinstellungen/Allgemein Eure kompletten Daten, Fotos, Texte und Mitteilungen herunter, die Ihr Facebook bis heute zur Verfügung gestellt habt. Das kann erhellend sein. Und noch einer: Private Kommunikation leite ich immer sofort auf diskretere Medien wie die gute, alte E-Mail um. Die geht Facebook nichts an.
..davon abgesehen, dass ich auf “offener Straße” nichts sage (wozu auch), erscheint mir diese ganze facebook-blase so beliebig und unwichtig wie sonstwas. Wenn ich mit Meinschen die mir wichtig sind nicht mehr persönlich rede, sondern nur noch via fb oder sonstige (un)-soziale Netzwerke, dann sind diese Menschen eben nicht so wichtig; alles andere ist Heuchelei, wichtig machen (habe 200 Freunde, follower was auch immer)!!!
Unwichtige, zuweilen peinliche und wirklich für niemanden interessante Belanglosikeiten werden öffentlich gemacht; egal Mr.Zuckerberg freuts, und ich bin nicht drin und will auch nicht rein. Habe auch gar nicht so viele Freunde! Schnüff, Seufz.
Ich will Dir nicht widersprechen und Dich erst recht nicht bekehren. Natürlich hast Du Recht, es gibt solche Fälle, aber letzten Ende ist Facebook wie jedes elektronische Medium oder Gerät nur das, was wir zulassen, dass es ist, bzw. wie sinnvoll wir es einsetzen.
Ich habe über Facebook, das ich ebenfalls, wie du weißt, beruflich nutze, meine “Kontakte” zu weit entfernt lebenden Bekannten deutlich erhöht, wo man sich früher zwei oder dreimal im Jahr einen Brief / Mail geschrieben hat (“Sorry for not being in touch for so long….”) ist der Kontakt trotz kürzerer Meldungen gefühlt enger. Man ist unmittelbarer an der (Er-)Lebenswelt der Freunde dran, kann aktuell an Situationen zumindest durch Kommentare teilhaben. Ein halbes Jahr nach den Tod des geliebten Hundes zu kondolieren ist zwar auch von Herzen, aber vielleicht ist der direkte Kontakt – auch über Facebook – da doch der Bessere.
Natürlich hat Facebook seine Macken, ebenso wie die andere Datenkrake Google, aber auch hier gilt – Wenn ich bei Facebook nur das sage, was ich auch auf offener Straße sagen würde, dann bin ich relativ gesehen sicher. Aber das muss jeder für sich entscheiden, einen alleinseligmachenden Weg gibt es da nicht. Und solange Du keine Persönlichkeitsspaltung ob Deines Dilemmas erlebst, ist es ja auch ok ;)
Dein Hinweis erscheint mir wichtig. Wer Facebook nutzt, sollte ihn immer im Hinterkopf tragen: “Wenn ich bei Facebook nur das sage, was ich auch auf offener Straße sagen würde, dann bin ich relativ gesehen sicher.”