Es ist anstrengend, es tut manchmal weh, es lässt den Puls rasen, es fordert uns – und doch können wir nicht widerstehen: Den Genuss eines erhebenden Ausblicks aus erhobener Position muss sich der Gipelstürmer erarbeiten, erlaufen, erwandern. Warum steigen wir so gerne auf Berge? Es ist keine Modeerscheinung. Bekanntlich fröhnte schon der große Moses in alttestamentarischer Zeit dem Bergwandern. Francesco Petrarca, Dichter und Vater des Alpinismus, fand im Berg und nah am Himmel im 14. Jahrhundert keinen geringeren als Gott.
Wieder andere versuchten, auf dem Berg die Welt zu erkennen. Verhaltenswissenschaftler wollen im Bergsteiger das ewig balzende Männchen erkennen oder dessen Auseinandersetzung mit dem väterlichen, männlichen Prinzip. Und manche suchen am Berg, der Alltagswelt entrückt, sich selbst. Bergwandern als Selbstfindung, als angewandte natur-therapeutische Selbstheilung. Dort oben, oberhalb der Sorgengrenze, lassen wir unsere Alltagslasten für ein paar Stunden hinter uns. Wer es weniger psychologisch mag: Auf dem Gipfel ist oben. Und wer dort oben steht, hat den Überblick. Das ist es, was wir suchen und finden: Freiheit für einen Nachmittag und das Gefühl der Erhabenheit.
Ich will das mit dem heidnischen Vergnügen lieber nicht vertiefen – das Bergsteigen steht bei sehr vielen Patres des Ordens, für den ich arbeite, sehr hoch im Kurs ;-)
Willst Du suggerieren, lieber Galahad, dass auf Berge klettern ein heidnisches Vergnügen sei?
Also Moses ist beim besten Willen kein Patron für Bergsteiger – er ist weder wegen des erhabenen Ausblicks auf den Berg noch weil er die Alltagssorgen loswerden wollte, er ist nämlich überhaupt nicht freiwillig zum Bergsteigen aufgebrochen, sondern weil er musste, und zwar zum Abholen der Gesetzestafeln. Ich bezweifle sehr, ob das ein Vergnügen für ihn war.
Auch Jesus taugt schlecht als bilisches Vorbild: als der nämlich auf den Berg stieg, war es, um sich dort vom Teufel in Versuchung führen zu lassen – also auch nicht unbedingt ein nachahmenswertes Motiv.