Immer dienstags. Heute berichtet Ralf Sotscheck, wie die irische Regierung ihre trink- und rauchfreudigen Landsleute erzieht. Sie sollen von Alkohol und Nikotin die Finger lassen. Dafür könnte Kiffen auf der Insel bald erlaubt sein.
In Irland ist die Party vorbei. Daran ist nicht die Pandemie schuld, denn unter Beachtung der Coronaregeln konnte man bisher ein bisschen feiern. Das will die Regierung unterbinden und den Konsum von Alkohol drastisch einschränken, denn jedes Jahr sterben auf der Insel 2.700 Menschen an den Folgen von Alkoholgenuss. Die Abgeordneten, die im Parlament nicht genügend Begeisterung für die geplanten Maßnahmen an den Tag legen, werden als Lobbyisten der Getränkeindustrie gebrandmarkt.

Die Irland-Kolumne von Ralf Sotscheck. Der Berliner Journalist lebt seit 1985 in Irland und ist irischer Staatsbürger. Er pendelt zwischen Stadt und Land, irischer See und Atlantik, zwischen Dublin und einem Dorf im Burren. Ralf arbeitet als Irland-Korrespondent für die tageszeitung (taz) und schreibt Bücher, vorzugsweise über Irland und die Iren. Er hält Vorträge, Lesungen und ist ein brillanter Unterhalter. Seine Irland-Kolumne erscheint dienstags auf Irlandnews. Ralfs Website: www.sotscheck.net. Foto: Derek Speirs
Seit 4. Januar gelten Minimumpreise für Alkohol. Wer bisher Champagner bevorzugt hat, wird keinen Unterschied bemerken, aber die Getränke im niedrigen Preissegment sind erheblich gestiegen. Dank Brexit-Boris, der weiß, wie man im Lockdown Partys organisiert, gibt es jedoch wieder zollfreie Ware bei Reisen auf die Nachbarinsel.
Außerdem ist Nordirland nicht weit. Dort ist Alkohol erheblich billiger als in der Republik, wo die 1.500 Schnapsläden im Grenzbereich getrost dichtmachen können. Und die Regierung will weitere Hindernisse auf dem Weg zum Rausch aufbauen. Man erwog, den Import von Wein zu verbieten, wenn nicht auf jeder Flasche eine Krebswarnung klebte. Da hätte aber die EU-Kommission nicht mitgespielt, denn dadurch würde der freie Warenverkehr behindert.
So änderte die Regierung geschwind den Plan: Er sieht vor, dass Alkohol zwar importiert, aber ohne Krebswarnung nicht verkauft werden darf. Die Schnapshändler müssen dann jede Kiste Wein und jedes Sechserpack Bier öffnen und eine Warnung auf Irisch und Englisch auf den Flaschen anbringen.
Für ein Pint Bier oder ein Glas Wein im Pub oder Restaurant soll das nicht gelten. Aber vielleicht verdonnert die Regierung die Wirte dazu, dem Gast vor dem Servieren eines Getränks einen Vortrag über den Zusammenhang zwischen Alkohol und Krebs zu halten?
Darüber hinaus soll Werbung für alkoholhaltige Getränke im Umkreis von 200 Metern von Schulen verboten werden. Erstklässler glauben, dass das Lehrpersonal in der Schule wohnt. Regierungspolitiker glauben, dass die Kinder in der Schule wohnen und deshalb auf dem Schulweg an keiner Alkoholreklame vorbeikommen können.
Während der Alkoholkonsum eingeschränkt werden soll, will man Nikotin gänzlich von der Insel verbannen. Zunächst soll auf die Kippen eine Warnung aufgedruckt werden – und zwar auf jede einzelne. Eine Schachtel kostet schon 15 Euro, und sie ist Bückware: Zigaretten müssen in den Geschäften versteckt werden. Bald soll der Verkauf auf Apotheken beschränkt werden – eine hübsche Einnahmequelle für darbende Pillenverkäufer.
Dafür erwägt man aber die Freigabe von Cannabis. Es steht ein großer Wandel auf der Insel bevor: Die Iren werden keinen Alkohol trinken und keine Zigaretten rauchen, sondern völlig bekifft im Fernsehen die Serien „The Marvelous Mrs. Maisel“ und „Stranger Things“ schauen, in denen ständig gequarzt und gesoffen wird.
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Titelbild: Markus Bäuchle
Dann müssten die schlauen „Gesundheitspolizisten“ aber auch den Süßigkeiten-Verkauf im Umkreis von 5 km von Schulen verbieten, denn die immer mehr verwendeten Fruktosesirups in Gebäck, Schokoriegeln und anderem Süßkram haben eine dermaßen schädigende Wirkung auf die Leber, dass der gute alte Haushaltszucker dagegen fast wie einen Teller gesunden Salates anmutet. Die Zahlen an Schrumpflebern, also Zirrhosen bzw „Säuferleber“ bei ganz jungen Menschen muss in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen sein, wirklich tragisch.
Mir fällt dazu nur noch ein zu sagen: Herr (oder wer auch immer! ) , schmeiß Hirn vom Himmel !!!
Viele Grüße aus dem Rheinland Birgit
Tja, da kann ich nur ansatzweise mitreden, denn beides tue ich schon lange nicht mehr.
Alkohol trinken und Rauchen. Ersteres habe ich immer schon nur schlecht vetragen, ich habe wohl eine Ethanol-Allergie ;o)
Und mit dem Rauchen aufzuhören war es damals einfach an der Zeit, es schmeckte mir nicht mehr ( was ich mir bis dahin nie hätte vorstellen können).
Ich dachte immer, es wäre der Nikotinentzug der mir zu schaffen machen würde, aber das stimmte nicht. Da war ich bald drüber hinweg.
Es waren die Rituale. Morgens nach dem Frühstück eine rauchen oder Nachmittags nach lecker Kaffee mit Kuchen, wenn ich ehrlich bin vermisse ich das heute noch manchmal.
Ausserdem sind Raucher sehr geselliige Menschen, sie finden stets schnell zueinander, auf Partys meist auf Balkonen oder im Treppenflur.
Und auf Flughäfen in blickdicht vollgequalmten Glaskästen, dem Inbegriff würdelosen Rauchens. Dort können selbst hartgesottene Kettenraucher noch eine Steigerung ihrer Sucht erfahren
Durch Corona werden Raucher allerdings noch mehr geächtet als bisher, denn es schickt sich nicht, ohne Maske an einer Ecke zu stehen und seinen blauen Dunst in die ohnehin schon virusgeschwängerte Luft eines Supermarkt-Parkplatzes zu blasen.
ich habe das Gefühl, Rauchen ist irgendwie’out‘, die Gesellschaft hat derzeit mit anderen Problemen zu kämpfen.
Zum Alkohol: Eine Krebswarnung auf Flaschen macht Sinn denn Alkohol ist ein Zellgift und begünstigt erwiesenermassen u.a. Darmkrebs.
Ob Aufkleber allerdings viel am Trinkverhalten der Iren ändern würden bezweifle ich. Die sind doch meistens so blau dass sie gar nicht mehr lesen können ;o)
Und was ist eigentlich mit dem vielen pflanzenschutzmittelverseuchten Obst und Gemüse, kommen da keine Krebsaufkleber drauf?
Cannabis, da muss ich passen. Nach einem einzigen Joint-Versuch als wagemutige 16jährige war mir so unbeschreiblich hundeelend dass ich das Zeug nie mehr angepackt habe. Allein vom Geruch wird mir heute noch schlecht, ein Grund Cannabis nicht in irischen Kneipen zu etablieren. Ich müsste draussen bleiben.
Viele Grüße auf die grüne Insel,
Elke