Immer dienstags. Heute wirft Ralf Sotscheck einen Blick auf die Nebengeschäfte irischer Politiker und unter die Schirmmützen einer bekannten Politiker-Dynastie.
Wer in Dublin wohnen will, muss es sich leisten können. Immer mehr Menschen können das nicht, es gibt inzwischen mehr als 10.000 Obdachlose. Für eine Dreizimmerwohnung auf der billigeren Nordseite muss man rund 2.500 Euro hinblättern. Hat man einen Hund oder eine Katze, kommen 75 Euro hinzu. Frei herumlaufende Tiere machten eben Dreck, so eine Wohnungsbaugesellschaft. Für Hamster und Kanarienvögel müsse man bei geschlossenen Käfigtüren nichts bezahlen.

Die Irland-Kolumne von Ralf Sotscheck. Der Berliner Journalist lebt seit 1985 in Irland und ist irischer Staatsbürger. Er pendelt zwischen Stadt und Land, irischer See und Atlantik, zwischen Dublin und einem Dorf im Burren. Ralf arbeitet als Irland-Korrespondent für die tageszeitung (taz) und schreibt Bücher, vorzugsweise über Irland und die Iren. Er hält Vorträge, Lesungen und ist ein brillanter Unterhalter. Seine Irland-Kolumne erscheint dienstags auf Irlandnews. Ralfs Website: www.sotscheck.net. Foto: Derek Speirs
Die Regierung hat ihre Sozialbauten in den achtziger Jahren verscherbelt. Beim Bau neuer Wohnungen für Menschen mit geringem Einkommen hält man sich zurück. Könnte es daran liegen, dass ein Viertel aller Abgeordneten im Immobiliengeschäft ist? Gäbe es genügend Wohnraum, könnten sie nicht mehr exorbitante Mieten kassieren. Lange Zeit funktionierten die Nebengeschäfte heimlich, doch inzwischen müssen Abgeordnete deklarieren.
Michael Healy-Rae ist mit 16 vermieteten Objekten der größte Immobilienhai im Parlament. Er entstammt der Dynastie der Healy-Raes aus dem Königreich Kerry im Südwesten der Insel, wo Parlamentssitze vererbbar sind.
Jeder Healy-Rae wird mit einer Schirmmütze geboren, die er bis zu seinem Tod tragen muss – und manchmal darüber hinaus. Vater Jackie Healy-Rae war 83, als er 2014 starb, und in diesen acht Jahrzehnten hatte sich die Mütze mit der Kopfhaut verschweißt.
Man unterschätzt die schirmbemützte Familie leicht, weil sie bei öffentlichen Auftritten wie tollpatschige Landeier wirken, aber unter ihren Mützen arbeitet ein habsüchtiges Hirn. Michael, der für seine Abgeordnetentätigkeit gut 100.000 Euro im Jahr kassiert, gibt seine Tätigkeiten im Parlamentsregister mit Postamtsvorsteher, Politiker, Bauer, Tankstellenbesitzer und Vermieter von Baumaschinen an. Darüber hinaus besitzt er Aktien der New York Times.
Das sind freilich kleine Fische im Vergleich zu seinem Kollegen Seán Haughey, der Anteile an 34 Unternehmen besitzt – vom chinesischen Alibaba über Disney bis hin zu Pfizer und Sanofi. Die Raffgier hat er vom Vater gelernt: Charles Haughey war am 11. Dezember 1979 Premierminister geworden. Von da ab floss das Schmiergeld in Millionenhöhe. Haughey gab es mit vollen Händen aus. Er kaufte sich einen Landsitz im Norden Dublins, sammelte Rennpferde, kaufte Seidenhemden in Paris für 1.000 Pfund pro Stück, legte sich eine Insel zu und ließ darauf ein Prunkhaus bauen. Um auf die Insel zu gelangen, musste ein Privathubschrauber her.
Er war der korrupteste Politiker Irlands. Als er 1992 wegen einer Abhöraffäre zurücktreten musste, war der Ex-Buchhalter einer der reichsten Männer der Insel. Viele Politiker versuchen seitdem, ihm nachzueifern, aber selbst die Healy-Raes sind Amateure im Vergleich zu Haughey.
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Titelbild: Der Politiker Michael Healy-Rae; www.oireachtas.ie
. . . und dann war da noch der gelehrigste Schüler von Chefabsahner Charlie Haughey, ein Mann, den hier alle nur Bertie oder Teflon-Bertie nennen. Der langjährige irische Premierminister Bertie Ahern war in den 2000er-Jahren Held zweier Untersuchungsausschüsse, in denen es um zahlreiche Zuwendungen, Geldgeschenke und „Privatkredite“ an ihn ging.
Bertie lernte sein Handwerk als Finanzverwalter für Charlie, stellte diesem regelmäßig Blankoschecks für zweifelhafte Zahlungen aus. Als in den 90er Jahren 50.000 Pfund auf dem Bankkonto des damaligen Finanzministers Ahern eingingen, hatte er eine einfache Erklärung: Er hätte kein Bankkonto gehabt und das Bargeld im Lauf der Jahre zusammengespart.
Seine Amtsgeschäfte hatte Bertie zeitweise in einem Pub in seinem Wahlkreis geführt, und Teflon-Bertie heißt er, weil er trotz allen Fehlverhaltens bis heute ein freier Mann ist. Vielleicht schreibt uns Ralf mal ein „Best of Bertie“ . . .
Danke Ralf Sotschek für diese so amüsant und aufklärend geschriebene Realsatire ! Man assoziiert rechtschaffene Männer mit diesen irischen Schirmmützen, soviel Folklore ist europaweit schon verinnerlicht, daß dieses Requisit auf einen Fischer, Handwerker, Schafbauern ,Gärtner oder bescheidenen Pubbesucher schließen läßt. Offenbar weit gefehlt: Sotschek zeigt, daß die Schirmmütze Tarnung sein kann.
Und wir erfahren kurz und bündig von Missständen, Gier und einträglichen Nebenbeschäftigungen der irischen Parlamentarier.
Das schätze ich an Irland news besonders: sie bieten ein sympathisches und doch kritisches Bild der Republik. Sie zeigen die Potentiale aber eben auch die krassen Fehlentwicklungen. Das macht es spannend!
Landgut, Rennpferde, Seidenhemden, eine Insel mit Prunkhaus und ein Privathubschrauber: Reich an Materie, doch arm an Mitgefühl und Seele. Ist bekannt, ob Pferde oder der Privathubschrauber die letzte Reise im Seidenhemd übernahm? Armer Kerl.
Vielleicht doch verlosen, statt vererben? So hätte jeder die gleiche Chance auf ein politisches Amt und eine gewisse Zeit sich die Taschen vollzustopfen ;-)
Wenn jeder jeden bescheisst, können alle gut leben. Leider sind manche besser im Bescheissen als die anderen. Finde den Fehler!