Immer dienstags. Heute erzählt Ralf Sotscheck von der vorweihnachtlichen Süßwaren-Epidemie. Es ist zum Kübeln.
Weihnachten ist die Zeit der Kübel. Jedenfalls in England. Zum einen reihern die Inselbewohner nach dem übermäßigen Genuss warmen Bieres in sie hinein, zum anderen schenken sie sich gegenseitig Kübel mit minderwertigen Süßwaren. Englische Hersteller verstehen nichts von Schokolade, sie produzieren nur entsetzliche Karieserreger. Und die kommen bunt gemischt in Kübel mit irreführenden, aber wohlklingenden Namen wie „Celebrations“, „Quality Street“ oder „Cadbury’s Heroes“.

Die Irland-Kolumne von Ralf Sotscheck. Der Berliner Journalist lebt seit 1985 in Irland und ist irischer Staatsbürger. Er pendelt zwischen Stadt und Land, irischer See und Atlantik, zwischen Dublin und einem Dorf im Burren. Ralf arbeitet als Irland-Korrespondent für die tageszeitung (taz) und schreibt Bücher, vorzugsweise über Irland und die Iren. Er hält Vorträge, Lesungen und ist ein brillanter Unterhalter. Seine Irland-Kolumne erscheint dienstags auf Irlandnews. Ralfs Website: www.sotscheck.net. Foto: Derek Speirs
Der Konkurrenzkampf ist hart, zumal die Regierung den Zuckerbomben wegen fetter Kinder den Kampf ansagen will. Die Firma Mars Food UK stellt seit 1951 in England den Bounty-Riegel her. Eine Mini-Ausgabe davon ist im Celebrations-Kübel enthalten – neben Schrumpfversionen von Snickers, Mars, Galaxy, Maltesers und Milky Way.
So weit, so grässlich. Wie aber kann man sich einen Vorteil gegenüber der ebenso zuckrigen Konkurrenz verschaffen? Mars hatte eine Idee: Das Unternehmen machte eine Umfrage. Angeblich wollten 37 Prozent der Befragten den Bounty-Riegel aus dem Celebrations-Kübel verbannen. Mars versprach, auf sie zu hören und die 63 Prozent zu ignorieren, die sich als Bounty-Liebhaber geoutet hatten.
Das rief einige publicitygeile Halbprominente auf den Plan, die sich willfährig vor den PR-Karren spannen ließen. Ein Richard Osman twitterte noch halbwegs lustig, diese Entscheidung verlange nach einer Meuterei. Der Komiker Mark Watson überlegte öffentlich, wie der Plural von Bounty lautet: Bounties oder Bountys?
Natürlich musste auch Piers Morgan seinen Senf dazu geben. Das sei eine teuflische Entscheidung, Weihnachten sei ruiniert, tobte dieses besonders unappetitliche Exemplar eines Journalisten. Mit Kübeln kennt er sich allerdings aus. Morgan hatte zunächst für die kleinformatigen Schmutzkübel des Medienzaren Rupert Murdoch gearbeitet, bevor er Chefredakteur beim Daily Mirror wurde. In seine Amtszeit fiel der Abhörskandal, bei dem Morgans Leute routinemäßig die Telefone von irgendwelchen Berühmtheiten anzapften.
Die Reaktionen dieser Wichtigtuer auf das Bounty-Ende sind für Mars Gold wert, denn damit erreicht man kostenlos ein Millionenpublikum. Obendrein handelte es sich um Fake News: Das Unternehmen hat ein paar bountylose Kübel nur an einem einzigen Tag in Supermarkt-Filialen in ein paar englischen Kleinstädten angeboten. Voriges Jahr hatte sich Mars eine ähnlich schlaue Kampagne ausgedacht. Ein Werbespot zeigte ein „einsames Bounty auf der Suche nach Liebe“, die es schließlich bei einem ebenso einsamen Rosenkohl fand. Drei Millionen Zuschauer waren gerührt.
Mögen die Morgans, Osmans und Watsons von Mars mit Celebrations-Kübeln überhäuft werden, in die sie hineinkübeln können, nachdem sie das Zeug bis auf den letzten Bounty-Riegel aufgefressen haben.
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Neues Buch von Ralf Sotscheck: Der Name der Ente
Geschichten aus Irland, die manchmal unglaublich, aber immer wahr sind – und ziemlich lustig. Größtenteils jedenfalls. Ralf Sotscheck ist Berliner, lebt aber seit 1985 auf der Grünen Insel und arbeitet als Korrespondent für taz, die tageszeitun, und andere Medien.
„Einen Sotscheck zu sehen gilt als großes Glück; man muss sich sogleich den Bauch reiben und ein Guinness bestellen. Im Glase sieht man dann Dinge, die es gar nicht gibt – schönes Wetter oder funktionierende irische Behörden.“ Friedrich Küppersbusch
Der neue Sotscheck kann für 12 Euro plus Porto direkt beim Verlag bestellt werden: office@schreibstark-verlag.de. Als eBook kostet es 6,99 € und ist hier bei Thalia erhältlich. Weitere Bücher von Ralf gibt es hier.
Titel-Foto: Ralf Sotscheck. Viele Kübel Süßes im irischen Supermarkt Tesco.
Herrlich – und glaube mir, der Grund, weshalb ich im November /Dezember noch einmal auf die Sonneninsel Zypern flüchte, hat auch mit dem „Kübeln“ zu tun….. Geschenke kaufe ich im Sommer und so muss ich ab November, wenn „gekübelt“ wird, kaum noch in einen Supermarkt.
Danke, dass ich herzhaft lachen konnte…. jedenfalls bis ich vorgestern aus Zypern zurück am BER ankam…. Aber das erzähle ich lieber dort, wo es hingehört!
Schöne Grüße
Gabriele
Ralf war inzwischen daheim in Irland shoppen und kollabierte fast vor einer Kübelwand im Tesco (siehe neues Titel-Foto).
Erst vor wenigen Tagen schaute ich erstaunt und mitleidig auf den Turm von genau solchen Zucker-Kübeln auf dem Fließband zur Kasse, nachdem sich meine grün-bunten Lebensmittel (Rosenkohl, Kartoffeln, Spinat, Möhren etc) vor der betagten Käuferin dieser extrem originellen Geschenkideen in Richtung Bezahlung rückten. Sie hatte tatsächlich ausschließlich diese Zuckerbomben in den gleichförmig runden Metallbehältern auf dem Band. Ich überlegte, wer die Dosen wohl bekommen möge, vielleicht ihre Enkelkinder oder Nachbarskinder.
In unseren Noch-Geschenke-Zeiten mit kleineren Kindern erlebte ich dieses befremdliche Ping-Pong von bunten Kariesmachern immer als sehr belastend, also als absolut fantasielos und völlig unpersönlich, nur ein Austausch von formell verpackten Kalorien, ohne jeden Gedanken an die Vorlieben der beschenkten Person. Es ist für mich nach wie vor eine Art überteuerter Währung, ein Zurschau-Stellen, wie sehr man den Nachbarn und Bekannten schätzt (oder eben nicht, dann gibt es irgendwelche No-Name-Packungen aus Karton mit noch grässlicheren Inhalten oder nur ein nichtssagendes Kärtchen).
Die in den Supermärkten aufgebauten manchmal 1.50 m hohen „Mauern“ daraus lassen jeden Dezember erahnen, wie viel davon in Umlauf gebracht wird (und wie im Januar die Müllplätze mit Hartplastik und Metall geflutet sein werden). Manche Leute benutzen die selteneren und etwas größeren Dosenmodelle als Briefkasten, diese stehen dann immer 1-2 Jahre auf der Mauer an der Einfahrt, immerhin ein klein wenig Recycling bevor der Rost sie durchfrisst.
Es handelt sich um die Dosen mit leckeren (Schoko-)Keksen, diese kamen zwar nie an die Qualität von selbst gemachten Plätzchen heran, waren jedoch immer noch etwas netter als gefärbter, aromatisierter und geformter Fruktosesirup in unterschiedlichen Konsistenzen, der obendrein noch Leberzirrhose schon bei Kindern hervorrufen kann. Echter Zucker wäre im Vergleich dazu noch geradezu gesund.
Bounty war für mich übrigens immer das einzige wirkliche Highlight in diesen tiefsinnigen Kübel-Geschenken, immerhin noch ein klein wenig echtes Lebensmittel inmitten der Süßmassen! Dass ausgerechnet um dieses durchaus leckere Riegelchen debattiert wird, finde ich erstaunlich.
Eine Nachbarin hat soeben
einen Kübel Zucker für Dich abgegeben 🤣
(kein Bounty)
Ich will aber Bounty!